Wirtschaftspolitik der USA Biden nimmt sofort Trumps schlimmste Schäden in Angriff

Nach seiner Vereidigung unterschreibt US-Präsident Joe Biden noch im Kapitol die Dokumente zur Amteinführung sowie zur Ernennung seines Kabinetts. Quelle: imago images

Frisch im Amt will der neue US-Präsident Joe Biden gleich Vorhaben umsetzen. Die Rückkehr der USA zum Pariser Klimaabkommen hat er schon eingeleitet. Auch an der wirtschaftspolitischen Front stehen große Schritte an.

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Joe Biden will nach seiner Vereidigung zum 46. Präsidenten der Vereinigten Staaten keine Zeit verlieren. Das neue Staatsoberhaupt plant in den ersten zehn Tagen seiner Amtszeit einen ganzen Berg an Verordnungen zu erlassen, die so viel wie möglich der Ära Trump abwickeln und eine umfassende Antwort auf die Coronapandemie und den damit zusammenhängenden Wirtschaftsabsturz geben sollen. „All diese Krisen verursachen dringenden Handlungsbedarf“, schrieb Bidens designierter Stabschef Ron Klain wenige Tage vor der Amtsübernahme in einem Memorandum an sein künftiges Team im Weißen Haus. Man werde sich der Herausforderung stellten, „nicht nur um die schlimmsten Schäden der Trump Administration zu beseitigen – sondern auch um unser Land nach vorne zu bringen.“

Einige der unmittelbar anstehenden Maßnahmen hatte Biden bereits im Wahlkampf versprochen. Schon nach wenigen Stunden im Amt hat Biden die Rückkehr der Vereinigten Staaten zum Klimaabkommen von Paris eingeleitet. Außerdem will er den Einreisestopp für Menschen aus mehreren überwiegend muslimischen Staaten abschaffen und die Regierungsbehörden anweisen, die an der Grenze von ihren Familien getrennten Kinder wieder mit ihren Eltern zu vereinigen. Auch will er in allen Bundesbehörden und für Reisen zwischen den Staaten eine Maskenpflicht erlassen. Dies soll die immer noch nahezu unkontrollierte Ausbreitung des Coronavirus eindämmen. Zuletzt meldeten die USA mehr als 200.000 Neuinfektionen pro Tag – und mehr als 3500 Tote.

Doch auch an der wirtschaftspolitischen Front stehen große Schritte an. Noch am Tag seiner Amtseinführung will der neue Präsident ein Moratorium für Wohnungsräumungen und Zwangsvollstreckungen erlassen und die Rückzahlung von Bildungskrediten an die Bundesregierung aussetzen. Schon zwei Tage später sollen die Regierungsbehörden zudem anweisen „unverzüglich Maßnahmen zu ergreifen, um die amerikanischen Familien zu entlasten, die den Großteil der Last der Krise tragen“, so Klain. Wie diese Schritte aussehen werden, ist noch nicht im Detail bekannt. Klar ist jedoch, dass sich Biden für weitreichendere Vorhaben an den Kongress wenden müssen wird.

Auch hierfür laufen bereits die Vorbereitungen. In der vergangenen Woche präsentierte Biden der Öffentlichkeit den „American Rescue Plan“, ein Hilfspaket im Umfang von rund 1,9 Billionen Dollar, das hunderte Milliarden für die Bekämpfung der Pandemie bereitstellen würde, aber auch großzügige Programme zur Stützung der Wirtschaft enthält, etwa Unterstützung für kleine und mittelständische Unternehmen, aber auch für einkommensschwache Familien, die ihre Miete nicht bezahlen können.

Gleichzeitig beinhaltet das Paket Sozialprogramme, die schon lange auf der Wunschliste der Demokraten stehen: bezahlter Erziehungsurlaub, günstige Kinderbetreuung, besserer Zugang zu subventionierten Lebensmitteln. Auch sieht das Gesetz einen höheren Bundeszuschuss zur Arbeitslosenunterstützung vor, eine weitere Runde Direktzahlungen an die meisten amerikanischen Haushalte – diesmal in Höhe von bis zu 1400 Dollar – und eine Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Dollar. Derzeit liegt er auf Bundesebene bei 7,25 Dollar. Und das seit 2009.

Analysten loben die geplanten Maßnahmen. Sie könnten das Wachstum in diesem Jahr auf rund acht Prozent katapultieren, schreibt etwa Moody’s. Im kommenden Jahr könnte es zudem noch vier Prozent betragen – und das Land so an die Schwelle der Vollbeschäftigung zurückbringen.

In den USA rückt unter Biden eine Politikberatung in den Fokus, die unter Trump nicht viel zu melden hatte: Der Council of Economic Advisers, das Pendant zu den deutschen Wirtschaftsweisen, gewinnt an Einfluss.
von Julian Heißler

Bidens Rettungspaket würde damit zudem bereits eine ganze Reihe des wirtschaftspolitischen Wahlprogramms der Demokraten umsetzen. Ein konkreter Zeitplan für die Umsetzung fehlt allerdings noch. Zwar verfügt die Partei über knappe Mehrheiten in beiden Kammern des Kongresses, doch noch hängt der Impeachment-Prozess gegen Donald Trump über der Tagesordnung.

Sobald das Repräsentantenhaus seine Anklage an den Senat überstellt, werden dort sämtliche andere Aktivitäten für die Dauer des Prozesses unterbrochen. Zwar verhandeln die Demokraten bereits mit den Republikanern über eine mögliche Änderung der Geschäftsordnung, die es der Kammer erlauben würde, neben dem Verfahren noch andere Aufgaben wahrzunehmen – etwa die Bestätigung von Bidens Kabinett oder eben die Aufnahme eines Gesetzgebungsverfahrens. Eine Entscheidung ist darüber bislang jedoch noch nicht gefallen. Das könnte die Verabschiedung des Hilfspakets verzögern.



Für Biden wäre das eine schlechte Nachricht. Schließlich braucht er den Schwung der ersten Tage, um auch seine weitergehenden Vorhaben durchzuziehen. Dass er wirtschaftspolitisch noch einiges vorhat, lässt sein Übergangsteam bereits seit Wochen durchblicken. So wird gemeinhin erwartet, dass er bei seiner ersten Rede vor beiden Kammern des Kongresses, die voraussichtlich im Februar stattfinden wird, ein großes Infrastrukturpaket fordern wird, sowie massive Investitionen in Berufsbildungsprogramme, grüne Energieprojekte und die Modernisierung des Industriesektors. Dieser Plan würde rund 18 Millionen neue Jobs schaffen, so Biden.



Doch auch damit wären Bidens wirtschaftspolitische Pläne noch nicht vollständig erfüllt. Der künftige Präsident plant eine teilweise Rücknahme von Trumps Steuerreform. Dies würde zu Staatseinnahmen von rund vier Billionen Dollar über zehn Jahren führen, berechnet Oxford Economics – gezahlt zu 93 Prozent vom reichsten Fünftel der Bevölkerung. Gegengerechnet mit den Investitionsplänen des 46. Präsidenten würde dies dennoch zu einem „signifikant beschleunigtem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts und am Arbeitsmarkt“ führen, heißt es in der Analyse.

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Allerdings sieht das Institut kaum eine Chance, dass dieser Plan auch tatsächlich in dieser Form umgesetzt wird. Schließlich bräuchte Biden hierfür die Kooperation der Republikaner – und die werde er für eine Steuererhöhung und ein großes Investitionsprogramm kaum bekommen. Eine abgespeckte Version seiner Vorhaben könnte den Kongress womöglich passieren – und würde die wirtschaftliche Entwicklung des Landes dennoch positiv beeinflussen. Bidens To-Do-Liste wird also lang bleiben.

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