
Berlin Der Staatssekretär im Bundesfinanzministerium und künftige Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank, Jörg Asmussen, ist kein Schönredner. Auch nicht, wenn er abends vor Parteigenossen spricht. „Wir sind in einer ausgesprochen ernsten Lage“, sagte er am Donnerstagabend auf einer Veranstaltung im Reichstag. Ein Tag zuvor misslang eine Anleiheauktion des Bundes. Anstelle von sechs Milliarden Euro konnten nur 3,6 Milliarden Euro an Anleger verkauft werden. „Um Bundesanleihen mache ich mir aber überhaupt keine Sorgen. Gegen Ende des Jahres fällt die Nachfrage nach Staatsbonds immer, weil Investoren ihre Bücher schließen“, versuchte Asmussen Sorgen zu dämpfen, dass der Käuferstreik jetzt auch Deutschland erreichen könnte.
Gleichzeitig sieht Asmussen derzeit nicht Spekulanten am Werk, die gegen Staatsanleihen Wetten abschließen. „Die Marktteilnehmer“, so der Ökonom, „treffen rationale Entscheidungen. Sie wollen sehen, ob die gemachten Versprechen von Konsolidierung, Reformen und Sparanstrengungen auch umgesetzt werden.“ So lange dies aber nicht überzeugend geschehe, „werden wir viel Skepsis in den Märkten sehen“.
Eine Krise des Euro kann Asmussen nicht erkennen. „Der Euro hat seine Rolle auf dem Weltmarkt gefunden. Er hat in den vergangenen Jahren seinen Anteil an den Weltwährungsreserven erhöht, der jetzt bei 26 Prozent liegt.“ Einen Weg zurück zur D-Mark kann Asmussen nicht erkennen. Die Welt habe sich seit Einführung des Euro gewandelt.
Und so plädiert Asmussen dafür, bei den Ursachen der Staatsschuldenkrise anzusetzen. Die Krise sei das Ergebnis langfristig falscher Haushaltspolitik. Um das Vertrauen der Investoren in den Euro-Raum wieder zu gewinnen, müssten fünf Voraussetzungen zusammen erfüllt sein.
Erstens – Griechenland müsse seine seine fiskalischen Probleme lösen und gleichzeitig Anreize für Wachstum setzen. Das Land müsse seinen wirtschaftlichen Platz in Europa neu bestimmen.
Zweitens – von Ansteckung erfasste Staaten wie Italien und Spanien müssten durch strukturelle Reformen ihr Wettbewerbsproblem lösen und die zugesagten fiskalischen Maßnahmen umsetzen.
Drittens – Der europäische Bankensektor müsse stabilisiert werden. Um die Kernkapitalquote von neun Prozent zu erreichen, seien erst die Banken selbst gefordert, dann nationale Auffangmechanismen und schließlich über eventuelle Anträge der Mitgliedsstaaten der europäische Rettungsfonds EFSF.
Viertens – Der europäische Rettungsfonds müsse effizienter genutzt werden. Er könne nicht vorhersagen, wie lange es dauern werde, Co-Investoren für diesen Fonds zu gewinnen. Daher plädiert Asmussen dafür, schnellstmöglich den ESM einzuführen, nicht erst zum 1.7.2013. Der ESM sei eine Finanzinstitution mit eingezahltem Kapital. Aber da der ESM ein völkerrechtliches Instrument sei, müsse er von den EU-Staaten auch ratifiziert werden, was einige Zeit dauern könne.
Fünftens - Die Eurozone müsse zu einer Stabilitätsunion gestaltet werden. Dazu seien möglicherweise Änderungen der EU-Verträge nötig. „Wir müssen die Frage beantworten, wo Europa eigentlich hin will. Wenn man weiß, wo der Hafen ist, kann man Unwetter besser überstehen“, sagte der gebürtige Flensburger.