John Bolton über Donald Trump „Nach zwei Amtszeiten könnte der Schaden irreparabel sein“

John Bolton im Gespräch mit WirtschaftsWoche-Korrespondent Julian Heißler. Quelle: Screenshot

Bis Ende 2019 war John Bolton Nationaler Sicherheitsberater von US-Präsident Donald Trump. Hier erklärt er, was eine zweite Amtszeit Trumps für die Republikaner, die USA und das Verhältnis zu Deutschland bedeuten würde.

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WirtschaftsWoche: Herr Bolton, wie steht es um das deutsch-amerikanische Verhältnis?
John Bolton: Wir haben gesehen, dass der Präsident internationale Beziehungen aus einem sehr transaktionalen Winkel betrachtet. Die Idee, ein kohärentes Verhältnis aufzubauen, das eine Vielzahl von Themen umfasst, war ihm schwer zu vermitteln, denn Trump sieht Dinge immer aus einer finanziellen Perspektive. Deshalb konzentrierte er sich immer auf das Handelsdefizit, sei es mit europäischen Ländern wie Deutschland, aber auch im Umgang mit Japan oder Südkorea. Bei den europäischen Partnern hat er das Thema jedoch immer auch mit der NATO verbunden und die Regierungen auf ihre Verpflichtung hingewiesen, das Zwei-Prozent-Ziel zu erfüllen.

Was hat dieser Ansatz für den Umgang zwischen Washington und Berlin bedeutet?
In allen Unterhaltungen zwischen dem Präsidenten und Kanzlerin Merkel an denen ich teilgenommen habe, ging es eigentlich nur um zwei Dinge: Warum erreicht ihr das Zwei-Prozent-Ziel nicht? Und warum sollten wir keine Autozölle verhängen? Das hat es schwierig gemacht, auch andere Themen zu besprechen. Wenn das Gespräch beispielsweise auf den Umgang mit Russland kam, verwies Trump sofort auf Nord Stream 2 und stellte die Frage: Warum bezahlt ihr Putin für Erdgas wenn wir Geld dafür ausgeben, euch vor Russland zu schützen?

Diese Frage stellt sich in Washington nicht nur Trump...
Trotzdem sollten die Europäer ihn als Anomalie betrachten. Ich denke nicht, dass seine Perspektive den Mainstream der Meinungen über die Verteidigungsallianz oder sonst irgend etwas widerspiegelt. Sollte Joe Biden die Präsidentschaftswahl gewinnen, wird die amerikanische Außenpolitik schnell in den normalen Korridor zurückkehren, in dem sich sowohl republikanische als auch demokratische Administrationen in der Vergangenheit bewegt haben. Trump steht außerhalb dieser Grenzen, insbesondere mit Blick auf Bündnisse und Handelspolitik.

Streitpunkte zwischen Deutschland und den USA gab es auch schon vor Trump. Sie haben Nord Stream 2 erwähnt, das Zwei-Prozent-Ziel, den Handelsüberschuss. Wieviel davon wird bleiben, wenn Trump einmal nicht mehr im Weißen Haus regieren sollte?
Isolationistische Bestrebungen gibt es sowohl bei den Republikanern als auch bei den Demokraten. Doch Trump geht darüber hinaus. Er nimmt die Probleme zwischen den Ländern persönlich. Obama wird die NATO als veraltete Angelegenheit aus dem Kalten Krieg gesehen haben, um die er sich nicht weiter kümmern musste. Doch Trump hat nie den strategischen Wert der Allianz gesehen. Für ihn lief es nur darauf hinaus: Wir verteidigen euch und ihr bezahlt nicht. Dass es auch im amerikanischen Interesse ist, in Deutschland Basen zu haben, ist ihm nie in den Sinn gekommen. Ich fürchte, es ist deshalb vollkommen vorstellbar, dass Trump die USA in einer zweiten Amtszeit aus der NATO zurückziehen würde.

Inwiefern hat sich der strategische Wert Europas für die USA seit dem Ende des Kalten Kriegs verändert?
Jede Zeit hat unterschiedliche strategische Prioritäten. Aber Stabilität in Europa bleibt für die USA von zentraler Bedeutung. Russland stellt auch nach dem Ende des Kalten Kriegs eine signifikante Bedrohung für Mittel- und Osteuropa dar. Putin hat ja bereits vor Jahren gesagt, der Zusammenbruch der Sowjetunion sei die größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts gewesen. Die meisten anderen denken hingegen, dass das ein ziemlich guter Weg war, das Jahrhundert zu beenden. Zudem wächst die Bedrohung durch China – und auch darauf müssen die Europäer künftig verstärkt achten.

Wie sollte Europa auf diese Herausforderungen reagieren?
José María Aznar, der ehemalige Ministerpräsident Spaniens, hat einmal den Vorschlag ins Spiel gebracht, die NATO solle zu einer globalen Organisation werden und auch Staaten wie Japan, Australien, Singapur oder Israel aufnehmen. Ich denke, das ergibt durchaus Sinn. In einer zunehmend globalen Zeit kann man Konflikte nicht mehr regional begrenzt betrachten.

Was würde das für die Rolle Deutschlands bedeuten?
Ich bin gespannt, wie sich die Allianz in einer Nach-Brexit-Zeit entwickeln wird. Ich denke, der Brexit war gut für Großbritannien und die USA und er könnte auch gut für Europa sein. Aber es gibt Tendenzen innerhalb der EU, die Sicherheitspolitik zunehmend europäisch aufzustellen – jenseits der NATO. Frankreich drängt zunehmend auf eine solche Lösung. Ich denke, Deutschland ist das natürliche Gegengewicht zu solchen Überlegungen – auch im Interesse der transatlantischen Beziehungen. Wenn die Europäer wirklich sagen, wir kümmern uns um das Militärische ab sofort allein, dann wird in den USA irgendwann nicht mehr nur Trump mit Blick auf die NATO sagen: Bye Bye.

Sie waren Teil der Bush Administration, die europäische Partner ins „altes“ und „neues Europa“ sortierte. Auch heute haben wieder Staaten wie Polen und Ungarn einen guten Draht zum Weißen Haus, während traditionelle Partner wie Deutschland es schwer haben...
Ich denke, die USA haben immer bessere Beziehungen zu den Ländern, die am meisten bedroht sind und die näher an Russland liegen. Sie wissen, wer sie im Zweifelsfall verteidigen würde. Wie hoch ist der Verteidigungshaushalt in Deutschland nochmal? Ich verstehe ja, dass es in Koalitionsregierungen mit den Sozialdemokraten nicht einfach ist, alles durchzusetzen. Aber ab einem gewissen Punkt werden die Partner dann eben ungeduldig und erwarten eine Entscheidung. Will Deutschland Teil dieses Systems sein? Dann muss es das beitragen, was es zugesagt hat.



Ein anderer Dauerbrenner zwischen Deutschen und Amerikanern in der deutsche Handelsüberschuss. Ist bei diesem Thema Besserung zu erwarten?
Handelsbeziehungen zwischen großen Ländern sind nie ganz einfach. Jede Seite stellt sich immer die Frage, ob die eigenen Interessen auch wirklich ausreichend berücksichtigt werden. Hier in den USA gibt es derzeit das weitverbreitete Gefühl, dass die Vereinigten Staaten in den Handelsverhandlungen der vergangenen Jahre nicht gut abgeschnitten haben. Trotzdem halte ich nichts davon, sich wie Trump nur auf die Handelsbilanz zu stürzen. Sie ist in der Regel nicht das Problem, auch wenn es Ausnahmen gibt, wie etwa China. Aber wenn es um die Beziehungen zu Japan oder Europa geht, dann kann man Unstimmigkeiten eigentlich durch normale Handelsgespräche ausräumen. Sie sollten zumindest nicht größere strategische Überlegungen beeinflussen.

Sie haben mehrfach China erwähnt. Welche Erwartungen gibt es in dem Konflikt zwischen Washington und Peking an Berlin?
Ich denke, die Interessen sind sehr ähnlich. Deutsche und Amerikaner haben ein Problem mit dem Missbrauch der WTO, mit dem Diebstahl intellektuellen Eigentums und anderen Praktiken. Am besten wäre es, wir würden eine gemeinsame Front bilden, doch Trump wollte das nie – wohl weil er seine eigenen Ideen über den Umgang mit Partnern hat. Dabei müssen wir viel mehr über dieses Thema sprechen – und weniger über Autozölle für deutsche Hersteller.

Sollte Trump tatsächlich die Wahl verlieren: Wie geht es dann weiter zwischen Berlin und Washington?
Ich denke, in den Handelsgesprächen mit der EU wird auch unter einem Präsident Biden hart verhandelt werden. Man darf nie vergessen, dass traditionell die Demokraten die Partei des Protektionismus sind.


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Und was würden vier weitere Jahre Trump für die Republikaner bedeuten?
Der Schaden wäre erheblich – und das gleiche gilt für das Land. Sollte Trump verlieren, muss meine Partei eine robuste Diskussion darüber führen, wie wir verhindern können, dass jemals wieder so ein Mensch ins Weiße Haus kommt. Ich denke, den angerichteten Schaden können wir nach einer Amtszeit schnell beheben. Nach zwei Amtszeiten könnte er hingegen irreparabel sein.

Mehr zum Thema: Warum sich das Verhältnis der USA zu Deutschland nicht entspannen wird – egal, wer im Weißen Haus regiert.

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