Joseph Stiglitz "Deutschland muss Trump klare Kante zeigen – sonst kollabiert der Westen"

Wenige Tage bevor er offiziell ins Weiße Haus zieht, macht Donald Trump Ernst in Sachen Anti-Freihandels-Kurs. Vor allem das deutsche Exportwunder rückt in den Fokus des angehenden US-Präsidenten. Deutschland sollte sich entschieden wehren, sagt der amerikanische Ökonomie-Nobelpreisträger Joseph Stiglitz – und Trump zur Not vor internationalen Gerichten verklagen.

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Wirtschaftswissenschaftler Joseph Stiglitz. Quelle: Getty Images

Herr Stiglitz, wie sehr muss sich die deutsche Wirtschaft vor Donald Trumps Anti-Freihandels-Kurs fürchten?
Was Donald Trump da verbreitet, ist ja kein Gedanke, der durch irgendwelche empirischen Erfahrungen zu belegen wäre. Insofern müsste man das eigentlich nicht so ernst nehmen. Das Problem ist nur: Er glaubt vermutlich sogar, was er da sagt.

Und er wirkt relativ entschlossen, die Globalisierung, wie wir sie kannten, zurückzudrehen – um jeden Preis.
Sie dürfen nicht so sehr darauf achten, was er sagt, sondern wie er es sagt. Trump ist ein Dealmaker. Er geht die Dinge erstmal nicht so an, dass er etwas absolut Richtiges sagt, sondern indem er erstmal den Ton setzt. Das heißt aber nicht unbedingt, dass darauf auch inhaltlich etwas Schlimmes folgt. Er checkt erst die Lage und schaut dann, ob seine Gegenüber klein beigeben oder ob man etwas dealen kann.

Zur Person

Es könnte also auf die Polemik noch immer sachlich richtige Politik folgen?
Naja, wenn man den harschen Ton einmal ausblendet, dann weißt Trump ja durchaus auf etwas richtiges hin: Freier Handel ist keine Einbahnstraße, sondern ein Weg mit zwei Richtungen. Und im Idealfall ist in beiden Richtungen ähnlich viel Verkehr.

Also alles halb so schlimm?
Was mich viel mehr stört, ist die Art, wie er seine Politik offenbar nun vorantreiben möchte: Wir, die Staaten des Westens, haben 60 Jahre lang an einer internationalen Ordnung gebaut. Die mag nicht perfekt sein, aber sie hat eine gewisse Stabilität und Berechenbarkeit gebracht. Trump scheint nun, um kurzfristige Erfolge vorzeigen zu können, diese 60 Jahre mit einem Streich wegwischen zu wollen. Die Frage wird sein: Was machen die Republikaner. Nahezu alle Institutionen des Westens sind unter ihrem maßgeblichen Einfluss mit entstanden. Bekennen sich die Republikaner mit ihrer Mehrheit im Kongress zu diesen Werten, oder schwenken sie opportunistisch auf Trump ein?

Aber Trumps Skepsis gegenüber internationaler Zusammenarbeit und internationalem Handel scheint sich auf eine Mehrheit in der Bevölkerung zu stützen. Dem müssen die Republikaner doch auch Rechnung tragen.
Seine Haltung gegenüber Handelsabkommen ist, nun ja, diskussionswürdig. Es ist doch bigott zu argumentieren, die USA seien ein Verlierer internationaler Handelsregime. Fragen Sie mal Schwellenländer, fragen Sie Mexiko, wie die die amerikanischen Agrarexporte sehen.

Viele Arbeiter im Westen sehen das aber genau so.
Wenn Trump sagt, das nordamerikanische Handelsabkommen Nafta sei das schlechteste aller Zeiten, dann muss ich doch fragen: Wo hat sich eigentlich seit Inkrafttreten die Wirtschaft besser entwickelt – in den USA oder in Mexiko? Schauen Sie sich doch den Zustand Mexikos heute an. Und es ist doch nicht so, als ob Mexiko vor Inkrafttreten von Nafta auf alle Exporte in die USA 35 Prozent Zölle zahlen musste. Im Gegenteil: Auch damals wurde eher eine niedrige einstellige Zahl an Zöllen im Durchschnitt erhoben.

Also lügt Trump?
Was er da behauptet ist schlicht und einfach falsch.

Was kann ihn von seinem Kurs abbringen?
Es ist sehr wichtig, dass Deutschland nun klare Kante zeigt und im Umgang mit Trump Stärke demonstriert. Die Deutschen müssen sagen: Wir stehen zur vorhandenen internationalen Ordnung. Wir glauben an den Freihandel, wie er vertraglich zwischen den Nationen festgehalten wurden.

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