Joseph Stiglitz "Handelskrieg-Scharmützel sind nur Ablenkungsmanöver"

Joseph Stiglitz beim WEF Quelle: WEF

Ökonomie-Nobelpreisträger Stiglitz gilt nicht als Freund des US-Präsidenten. Beim Weltwirtschaftsforum attackiert er dessen Steuerpolitik, warnt wachsender Ungleichheit – und sagt, wo Europa von Trump profitiert.

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WirtschaftsWoche: Professor Stiglitz, US-Finanzminister Steven Mnuchin hat Donnerstagmorgen in Davos gesagt: Das oberste Ziel der US-Regierung sei es, die Lage der normalen US-Arbeiter zu verbessern. Tut diese Regierung das?
Joseph Stiglitz: Nein. Diese Steuer-Rechnung – ich nenne es bewusst nicht Steuerreform oder Steuersenkung – zeigt das doch. Trump lobt sich dafür, dabei handelt es sich um eine Mehrbelastung für die gesamte Mittelklasse Amerikas.

Selbst, wenn man an die Trickle-Down-Theorie, dass mehr Wohlstand für Reiche am Ende allen zugute kommt, glaubt – und diese Theorie ist völliger Quatsch - muss man doch trotzdem die Fakten zur Kenntnis nehmen. Und die besagen: Da macht eine Handvoll Milliardäre in Washington Steuerpolitik für andere Milliardäre. Das wird die Teilung der US-Gesellschaft weiter verstärken.

Viele US-Manager behaupten das Gegenteil: Durch die Steuererleichterungen könnten sie mehr Jobs in den USA schaffen und die Gehälter ihrer Angestellten erhöhen.
Es geht gerade Schlimmes vor in den USA: Eine Reihe von Konzernen macht eine PR-Kampagne für die Regierung. Sie sagen, dank der Steuererleichterungen könnten sie die Gehälter der Leute erhöhen. Und dann sehen wir Erhöhungen von acht auf neun Dollar die Stunde. Das ist doch lachhaft. Diese Konzerne sitzen auf zwei Billionen Dollar an Cash-Reserven. Warum brauchen die Steuererleichterungen, um Gehälter so marginal zu erhöhen?

Zur Person

Naja, andere Ökonomen argumentieren: Die Steuerpolitik macht Investitionen in den USA attraktiver. Dadurch entstehen am Ende Jobs, von denen die Mittelschicht profitiert.
Wie kann man behaupten, dass eine Regierung, die 30 Millionen Amerikanern den Krankenversicherungsschutz nehmen will, etwas für die Mittelschicht tut?

Den zweiten Punkt, den die Regierung als Beleg für ihre Förderung der amerikanischen Arbeiter anführt, ist die Handelspolitik. Durch Zölle, wie etwa diese Woche auf Weiße Ware und Solar-Panele, werde die Arbeit amerikanischer Arbeiter wieder wettbewerbsfähig.
Auch das klappt nicht. Das Handelsdefizit der USA ist ja wirklich ein Problem. Wir müssen es senken, ganz klar. Aber wenn man Ökonomie verstanden hätte, wüsste man, dass das Defizit sich zusammensetzt aus der Lücke zwischen heimischen Sparbeträgen und heimischen Investments. Die vergrößert Trumps Steuerrechnung aber eher noch. Diese ganze Handelsvertrags-Scharmützel sind Ablenkungsmanöver. Die haben auf das US-Handelsdefizit keinerlei nachhaltige Auswirkungen.

Geben die europäischen Regierungschefs, wie hier in Davos Frankreichs Emmanuel Macron, Deutschlands Angela Merkel und Großbritanniens Theresa May, darauf die richtigen Antworten?
Sie bewegen sich jedenfalls anders als Trump in die richtige Richtung. Es geht ja nicht nur um Freihandel, sondern auch um den Sozialvertrag, den man innerhalb einer Gesellschaft hat. Denn Freihandel führt immer dazu, dass die Löhne eher sinken. Das ist keine Überraschung. Wenn man Realeinkommen vor dem Sinken bewahren und dennoch die Vorteile freien Handels, die es ja wirklich gibt, genießen will, braucht man einen solchen Sozialvertrag. Der muss regeln, dass alle von den Profiten des Handels etwas haben. Die Europäer haben das. Und Macron hat gesagt, er will das bewahren. Da ist gut. Und besser, als auf Protektionismus umzuschwenken. Macron hat gesagt: Wir müssen eine Gesellschaft schaffen, die nicht so zersplittert ist wie die in Amerika.

Wie Donald Trumps Präsidentschaft Europa weiterhilft

Das sagen europäische Politiker allerdings auch schon seit Jahren.
Ja, aber Trump hat Europa geholfen, sich auf seine Werte zu konzentrieren. Sie haben gesehen, was passiert, wenn man sich nicht darum kümmert. Dann gewinnt jemand wie Trump. Insofern glaube ich schon, dass das Thema eine neue Dringlichkeit erhalten hat.

Gleichwohl beklagen nicht nur Sie schon seit Jahren die wachsende Ungleichheit innerhalb der meisten Industriegesellschaften. Warum wurde so lange nichts dagegen getan?
Das können Sie hier in Davos sehr schön sehen. Die Menschen, die sich hier treffen, haben Macht. Und die haben zu lange gesagt: Wenn es uns gut geht, wird es irgendwann allen gut gehen.

Der Chef des weltgrößten Vermögensverwalters Blackrock, Larry Fink, hat den Chefs seiner Beteiligungen in einem Brief vorgeworfen, sich nicht ausreichend um das Teilhabe-Thema zu kümmern. Nehmen Sie ihn erst?
Larry ist tatsächlich jemand, der das schon seit Jahren fordert.

Genau. Es ist der fünfte Brief, ohne dass sich groß etwas verändert hätte.
Er meint das dennoch ernst, denke ich. Er hat während der letzten Hillary-Clinton-Kampagne dafür geworben, dass sie das Ungleichheits-Problem stärker betont. Ich glaube, er weiß, was richtig ist. Und steckt doch in einem Zwiespalt: Er ist seinen Investoren verpflichtet. Er will das System verändern und gleichzeitig mit dem System leben. Da er aber der größte Investor der Welt ist, hat er die Möglichkeit, die Dinge zumindest anzusprechen.

Was wäre der effizienteste Schritt, das Ungleichheitsproblem sofort anzugehen?
Es gibt keine einzelne Lösung. Am einfachsten wäre es schonmal, Steuervermeidung zu bekämpfen. Das hätte sehr schnell sehr gute Effekte. Und mittelfristig, also in den nächsten fünf bis zehn Jahren, müssen wir den Klimawandel bekämpfen. Denn der wird für die globale Ungleichheit noch gefährlicher.

Professor Stiglitz, vielen Dank.

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