Jost Wübbeke "China wird auf amerikanische Härte mit eigener Härte antworten"

Mit pauschalen Vorwürfen gegen Chinas Handelspraxis wird Donald Trump keinen Erfolg haben, glaubt Jost Wübbeke. Der China-Experte warnt vor einer Protektionismus-Spirale.

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Trump wirft China Wirtschaftsspionage vor

WirtschaftsWoche Online: US-Präsident Donald Trump will Medienberichten zufolge den Handelsbeauftragten Robert Lighthizer anweisen, eine offizielle Untersuchung von Chinas Handelspraktiken nach Artikel 301 des Handelsgesetzes von 1974 einzuleiten. Schon im Wahlkampf war Chinas angeblich unfaire Handelspolitik für ihn ein großes Thema, er sprach sogar von „Vergewaltigung“. In gemäßigterem Ton beschweren sich aber auch deutsche Unternehmensvertreter, zuletzt etwa der Chef der EU-Handelskammer in Peking. Deutsche Unternehmen seien nur willkommen, wenn sie attraktive Technologie mitbrächten. Ist Chinas Handelspraxis tatsächlich unfair?
Jost Wübbeke: Bedenken angesichts der chinesischen Handels- und Industriepolitik sind angebracht, auch wenn ich nicht glaube, dass Trump mit dieser Strategie erfolgreich sein wird. Man muss feststellen: China ist keine freie Marktwirtschaft, wie wir sie in Europa und Nordamerika kennen. Es gibt viele nichttarifäre Handelshemmnisse. Ausländische Unternehmen können in China weder ganz frei investieren noch ihre Produkte ohne Beschränkungen verkaufen. Das ist von Branche zu Branche unterschiedlich. Wenn ein ausländisches Automobil- oder Luftfahrtunternehmen in China aktiv sein will, muss es ein Joint-Venture eingehen. Chinesische Unternehmen bekommen viele Subventionen, zum Teil sehr großzügige. Das führt dazu, dass sie auf dem Weltmarkt zu günstigeren Preisen anbieten können. Beides sind Wettbewerbsverzerrungen. Auch bei der öffentlichen Beschaffung in China werden häufig einheimische Unternehmen bevorzugt.

Jost Wübbeke ist Leiter des Programms Wirtschaft & Technologie am MERICS (Mercator Institute for China Studies) in Berlin. Quelle: Presse

Auch offiziell, oder passiert das informell?
Es gibt offizielle Beschränkungen, gerade wenn es um Investitionen ausländischer Unternehmen geht. Zum Beispiel gibt es die so genannte Negativliste für Auslandsinvestitionen der chinesischen Regierung. Aber viele Benachteiligungen sind inoffiziell und passieren auf undurchsichtigen Kanälen. Das läuft nur teilweise mit Wissen der Zentralregierung. Die Städte und Provinzen verfolgen oft ihre eigene Politik. Die grenzen teilweise nicht nur ausländische, sondern auch chinesische Unternehmen aus anderen Provinzen aus.

Machen die Chinesen in der Praxis einen Unterscheid zwischen deutschen, europäischen und US-amerikanischen Unternehmen?
Nach meinem Wissen gibt es keine Diskriminierungen von Unternehmen speziell aus bestimmten Ländern. Boeing und Airbus sind gleichermaßen gezwungen, Joint Ventures einzugehen. Man hat sogar den Eindruck, dass die Regierung versucht, deren Marktanteile in China einigermaßen gleich zu halten, um von keinem der beiden abhängig zu werden. Aber in bestimmten Branchen sind amerikanische Unternehmen besonders stark und dadurch auch besonders im Fokus der Pekinger Regierung, zum Beispiel in der Halbleiterindustrie und der Informationstechnologie. CISCO und Qualcomm wird es extrem schwer gemacht, Server und Chips in China zu verkaufen. Vor allem, wenn es um empfindliche Infrastrukturen, also zum Beispiel Bankenserver geht. Die chinesischen Regierungsstellen interpretieren den Begriff der nationalen Sicherheit oft sehr weit und nutzen ihn auch für industriepolitische Zwecke, um amerikanische IT-Unternehmen draußen zu halten.

Bei sicherheitspolitischen Konflikten kann es schon vorkommen, dass die chinesischen Konsumenten Waren aus bestimmten Ländern boykottieren. Da tragen dann auch chinesische Medien zu bei. Sowas ist dann oft nicht von der Regierung gesteuert. Das traf japanische Hersteller in der Vergangenheit und derzeit vor allem Hyundai aus Südkorea.

Schon im Wahlkampf hat Donald Trump China mit Maßnahmen gegen „unfaire“ Handelspraktiken gedroht. Jetzt will er eine Untersuchung einleiten, die zu Strafmaßnahmen gegen das Land führen könnte. Aber warum gerade jetzt?

"Europäer und Japaner waren zu naiv"

Ist der Vorwurf berechtigt, China betreibe in großem Umfang Diebstahl geistigen Eigentums?
Der Begriff Diebstahl ist nicht angebracht. Es ist sicher nicht Strategie Chinas, Technologie in großem Umfang zu klauen. Richtig ist, dass der Schutz geistigen Eigentums in China in der Vergangenheit eher schwach war. Es gab viele Verletzungen von Patenten und Markenrechten. Aber die chinesische Regierung hat hier wirklich viel getan. Ein ausländisches Unternehmen kann sein Recht auf diesem Gebiet mittlerweile sehr gut durchsetzen. Das hat sich deutlich verbessert. Problematisch ist nach wie vor die Regel, dass ausländische Firmen ein Joint Venture eingehen müssen mit einem chinesischen Partner und sich im Rahmen dessen verpflichten müssen, Technologie an diesen Partner zu transferieren. Im Grunde muss das Unternehmen für aktuelle Geschäfte seine zukünftigen Marktchancen verkaufen. Für die Chinesen hat das zum Beispiel bei Hochgeschwindigkeitszügen funktioniert. Da waren Europäer und Japaner zu naiv. Andererseits haben sich die Automobilunternehmen klüger angestellt. Auch da gab es Technologietransfer, aber die Chinesen sind bei Verbrennungsmotoren nach wie vor nicht so gut wie Europäer und Japaner.

Worum streiten die USA und China?
Containerhafen in Shanghai Quelle: dpa
Yuan-Noten und Dollar-Noten. Quelle: REUTERS
NordkoreaDie USA wollen, dass China mehr Druck auf Nordkorea ausübt, sein Atomwaffenprogramm zu beenden. Peking trägt zwar Sanktionen mit, aber argumentiert, dass sein Einfluss auf Pjöngjang nur begrenzt sei. Es fürchtet einen Kollaps des Regimes und eine koreanische Wiedervereinigung mit US-Truppen an seiner Grenze. Quelle: AP
Transport von Teilen des THAAD auf der "Osan Air Base" in Pyeongtaek, Südkorea Quelle: AP
US-Flugzeugträger "USS Carl Vinson" verlässt den Hafen im südkoreanischen Busan für ein Militärmanöver. Quelle: dpa
Bauarbeiten im südchinesischen Meer. Quelle: dpa
Eine taiwanesische Flagge durch eine zerstörte chinesische Flagge betrachtet. Quelle: dpa

Konkret: Wie wird China auf die von Trump angeordneten Untersuchungen reagieren? Werden sie sich betrogen fühlen, weil sie gerade noch einem amerikanischen Votum gegen Nordkorea im Uno-Sicherheitsrat zugestimmt und Sanktionen eingeführt haben?
Diese Untersuchung kommt nicht überraschend. Die war zu erwarten. Peking wird sehen, dass das, was jetzt kommt, auch nicht dem Rundumschlag entspricht, den Trump im Wahlkampf angedroht hatte. Andererseits wird China auf amerikanische Härte auch mit eigener Härte antworten.

In der Parteizeitung China Daily wurde für den Fall amerikanischer Importzölle ein „Handelskrieg“ angekündigt.
Grundsätzlich: Generelle Handelsbarrieren gegenüber China zu errichten, wäre natürlich das völlig falsche Signal. Das würde zu einer Protektionismus-Spirale führen. Wichtig wäre es, dass die Amerikaner nicht pauschal China abkanzeln, sondern konkret auf jede einzelne chinesische Handelspraktik, die man für problematisch hält, eine Antwort finden und vor allem: im Rahmen der Welthandelsorganisation bleiben. Die WTO bietet schließlich einen Mechanismus in solchen internationalen Fragen.

Eine Motivation Trumps für das Memorandum könnte sein, es als Druckmittel zu nutzen, um China zu noch mehr Zusammenarbeit gegen Nordkorea zu bringen.
China fährt doch bereits einen viel härteren Kurs gegen Nordkorea als früher, jetzt auch mit Handelssanktionen. Ich weiß nicht, was Trump noch mehr erwartet. Wenn das nordkoreanische Regime unkontrolliert zusammenbräche, wäre das eine sicherheitspolitische Katastrophe für China.

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