
Polens Parlament hat im Streit mit der Europäischen Union über die Unabhängigkeit seiner Justiz für eine Abschaffung der umstrittenen Disziplinarkammer für Richter gestimmt. Diese soll der am Donnerstag verabschiedeten Vorlage zufolge durch ein neues Gremium ersetzt werden.
Damit dürfte der Weg frei sein für milliardenschwere EU-Hilfen für die Erholung von der Coronavirus-Pandemie. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wird kommende Woche in Warschau erwartet. Die Kommission hat die Disziplinarkammer als Gefahr für die Unabhängigkeit der Richter gewertet. Der Europäische Gerichtshof verurteilte Polen im Oktober zur Zahlung eines Zwangsgeldes von einer Million Euro pro Tag, weil die Regierung in Warschau die Auflösung der Disziplinarkammer zunächst verweigerte.
Präsident Andrzej Duda hatte Anfang Februar angekündigt, die von der EU vielfach kritisierte Disziplinarkammer abschaffen zu wollen. „Wir brauchen diesen Disput nicht“, sagte Duda damals. Ein anderes Gremium solle die Kammer ersetzen. Im Zuge der Justizreform suspendierte Richter sollen wie gefordert wieder eingesetzt werden. Er wolle damit der Regierung ein Werkzeug geben, den Streit mit der Kommission zu beenden.
Die Einführung der Disziplinarkammer war Kernbestandteil der Justizreform in Polen von 2018. Sie kann jeden Richter und Staatsanwalt entlassen. Im Oktober verurteilte der Europäische Gerichtshof (EuGH) Polen zu einer Strafzahlung von einer Million Euro täglich, solange die Kammer nicht abgeschafft ist.
Zudem versperrte die Kammer Polen den Weg zu den Mitteln aus dem Wiederaufbaufonds. Bevor sie diese verteilt, muss die EU-Kommission prüfen, ob das Geld im Empfängerland einer rechtsstaatlich sauberen Kontrolle durch die Justiz unterliegt. Noch gibt es allerdings kein ausgearbeitetes Gesetz, anhand dessen die EU beurteilen könnte, ob mit den angekündigten Änderungen die Forderungen erfüllt werden.
Schon im August hatte Vizepremier Jaroslaw Kaczynski, der als mächtigster Mann der polnischen Politik gilt, eine baldige Auflösung der umstrittenen Disziplinarkammer angekündigt, weil sie ohnehin die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfülle.