Kampf um Aleppo Hoffnung auf politische Lösung löst sich in Rauch auf

Trotz der verkündeten Feuerpause steht Aleppo weiter unter Beschuss. Der Ausgang der Schlacht wird den weiteren Verlauf des Krieges in ganz Syrien beeinflussen. Eine diplomatische Lösung wird immer unwahrscheinlicher.

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Smoke rises following a Syrian government air strike on rebel positions, in eastern Aleppo, Syria, Monday, Dec. 5, 2016. The government seized large swaths of the Aleppo enclave under rebel control since 2012 in the offensive that began last week. The fighting was most intense Monday near the dividing line between east and west Aleppo as government and allied troops push their way from the eastern flank, reaching within less than a kilometer, about half a mile, from the citadel that anchors the center of the city.(AP Photo/Hassan Ammar) Quelle: AP

Tel Aviv Siegt doch noch die Diplomatie? Lange tat sich gar nichts auf dem politischen Parkett. Die Lage in Aleppo wurde immer verheerender. Nun kommt zumindest etwas Bewegung in die Gespräche: Am Donnerstag kündigte Russlands Außenminister Lawrow eine Waffenruhe für den Ost-Teil der Stadt an, am Samstag nun sollen Experten in Genf Einzelheiten aushandeln. Bei den Gesprächen soll unter anderem festgelegt werden, wie die Rebellen die umkämpften Stadtteile von Aleppo verlassen können.

Laut eines Berichts des Nachrichtensenders „Al Jazeera“ erwartet Russland, dass Washington die mit den USA verbündeten Rebellen unter Druck setzt, sich zu ergeben und die von ihnen kontrollierten Gebiete zu verlassen. Die Rebellen hatten diese Woche zwar eine Waffenruhe gefordert. Doch es gebe keine Anzeichen, dass sie zur Kapitulation bereit seien, meldet Al Jazeera. Bisherige Versuche, einen Waffenstillstand zu erwirken, waren regelmäßig gescheitert.

Auch dieses Mal sei Skepsis angebracht, warnen Experten. Obwohl Moskau am späten Donnerstagabend überraschend eine Waffenruhe für den Ost-Teil von Aleppo verkündet hat, fallen laut Bewohnern und Rebellen weiterhin Bomben. Die humanitäre Lage ist katastrophal. Laut der syrischen Zivilschutzorganisation „Weißhelme“ kam es in den Gebieten, die von den Rebellen kontrolliert werden, allein am Donnerstag zu 140 Luftangriffen und zu einem mehr als 1200-fachen Artilleriebeschuss. Zudem seien drei Chlorbomben abgeworfen worden.

Wenn Russlands Außenminister Sergej Lawrow jetzt eine Waffenruhe für Aleppo verkündet, ist er offenbar der Meinung, dass Russland zusammen mit den Iranern genügend Tatsachen geschaffen hat, bevor der neue US-Präsident Donald Trump ins Weiße Haus einziehen wird. Das ist gleichzeitig auch ein Rückschlag für Assad. Der hatte kurz zuvor Forderungen nach einer Waffenruhe kategorisch zurückgewiesen, die von westlichen Regierungen gefordert worden war.

Diese Möglichkeit „existiert praktisch nicht“, sagte er in einem Interview mit der syrischen Tageszeitung „Al-Watan“ vom Donnerstag. Er warf den USA vor, nur deshalb einen Waffenstillstand zu fordern, weil die von Washington unterstützten Rebellen „in einer schwierigen Lage“ seien.

Dass wenige Stunden später Lawrow seine Bereitschaft für Waffenstillstandsverhandlungen verkündete, zeigt laut westlichen Beobachtern, wer in Syrien über Krieg und Frieden entscheide.


Ausgang der Schlacht hat enorme Auswirkungen

Sollten die Rebellen zum Abzug aus Ost-Aleppo bereit sein, käme Assad seinem Ziel einen großen Schritt näher, die Schlacht um Syrien für sich zu entscheiden. Mit Aleppo würde er mit russischer und iranischer Hilfe eine der wichtigsten Metropolen zurückerobern, die gleichzeitig in den vergangenen Jahren das Zentrum der Rebellen war.

Damit würde die Opposition zwar massiv geschwächt, aber nicht ausgeschaltet. Rebellen kontrollieren nach wie vor große Teile der Provinz Aleppo sowie weitere Teile des Landes. Ein Ende der Tragödie zeichnet sich also nicht ab – selbst wenn die Waffenruhe in Kraft treten sollte.

Der Ausgang der Schlacht um Aleppo wird aber den weiteren Verlauf der Wirren im ganzen Land beeinflussen. Sollte Assad in Aleppo siegen, schwinden die letzten Hoffnungen auf eine politische Lösung des Konflikts.

Angesichts der katastrophalen humanitären Lage im Ostteil von Aleppo hatte der Chef der Uno-Hilfsmission für Syrien, Jan Egeland, am Donnerstag eine sofortige Waffenruhe in der nordsyrischen Großstadt gefordert. Bereits am Mittwoch hatten Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Kanada und die Vereinigten Staaten die Konfliktparteien in einer gemeinsamen Erklärung zu einem „sofortigen Waffenstillstand“ aufgerufen.

Beim Ministerrat der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) in Hamburg war die dramatische Lage in Aleppo ebenfalls Thema. Der amerikanische Außenminister John Kerry und Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) trafen getrennt voneinander mit ihrem russischen Kollegen Lawrow zusammen.

Die frühere Handelsmetropole Aleppo zählt im fast sechs Jahre andauernden Bürgerkrieg zu den umkämpftesten Gebieten. Aktivisten melden seit Tagen heftige Angriffe auf den Osten der Stadt. Bilder zeigen große Zerstörungen. Zehntausende sind vor den Kämpfen und Bombardierungen geflohen. Rebellen wiederum beschossen mehrmals Aleppos Westen, der von der Regierung beherrscht wird.

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