Kandidaten Volkssport: Hillary hassen

Seite 2/3

Anti-Clinton-Industrie

Warum trifft Clinton diese Affäre so? Auch gegen Trump steht schließlich der Vorwurf im Raum, er habe mit russischen Hackern kooperiert; wäre das nicht eine ungleich größere Gefahr für die nationale Sicherheit?

Die einfache Antwort: Weil Hillary eine Clinton ist. Und denen trauen die Amerikaner alles zu, auch so gut wie alles Schlechte. Vor allem: Unaufrichtigkeit.

Während aber Expräsident Bill seinen Hang zur Flunkerei als liebenswerte Macke zu vermarkten verstand, gilt die mögliche Präsidentin Hillary vielen als eiskalte Lügnerin. Immer wieder ist in US-Medien, und keineswegs denen von der Supermarktkasse, zu lesen, Clinton könne gar nicht anders, sie sei genetisch zum Lügen vorbestimmt.

Clintons wirtschaftspolitische Pläne

Diese vorhandenen Vorbehalte bedient die nun wieder aufploppende E-Mail-Geheimniskrämerei von Clinton perfekt. Und diese Schwäche unterstreicht leider niemand besser als Clintons häufiger E-Mail-Partner Blumenthal. Er ist nämlich keineswegs nur ein älterer netter Herr. Blumenthal gilt als begnadeter Spin-Doktor. Über ihn wird erzählt, er habe gestreut, Obama sei vielleicht in Kenia geboren, und böse Gerüchte über Frauen, denen Affären mit Bill Clinton nachgesagt werden, in Umlauf gebracht. Fest steht: Blumenthal kennt geradezu manisch nur Clinton-Freunde und Clinton-Feinde.

Und doch oder gerade deswegen: Clinton hat den umstrittenen Freund nie fallen gelassen – weil, mutmaßen Kritiker, sie ebenso denkt. Sie hat Blumenthal sogar 10.000 Dollar pro Monat gezahlt, damit er in ihrer Stiftung arbeitet. Ebenso hält sie nun an Abedin fest, der Frau von Skandal-Weiner. Als sie die Krise nach den jüngsten Mail-Enthüllungen durchstehen musste, war an ihrer Seite: Huma Abedin.

Diese Bunkermentalität erinnert viele Amerikaner daran, dass Hillary wohl der einzige Mensch auf dem Planeten ist, der Skandale zuverlässiger anzieht als Trump. Und ungleich geheimniskrämerischer ist. Als Clinton im September an einer Lungenentzündung litt, erfuhr die Öffentlichkeit das erst, als sie vor allen Augen fast zusammenbrach.

Das Who is Who der E-Mail-Affäre
Hillary Clinton Quelle: dpa
Hillary Clinton Quelle: AP
James Comey Quelle: AP
Anthony Weiner und Huma Abedin Quelle: AP
Donald Trump Quelle: AP
Paul Manafort Quelle: REUTERS
Wladimir Putin Quelle: REUTERS

Das Netz der Clinton-Hasser

Doch ist ein gewisser Hang zum Selbstschutz durchaus nachvollziehbar. Einen, der professionell beobachtet, wie die Clintons seit Jahren gejagt werden, kann man in New York treffen, nur seinen Namen darf man nicht schreiben. Der Mann hat genau aufgelistet, welche Netzwerke mittlerweile was machen. Das „Arkansas“-Projekt des rechten Milliardärs Richard Scaife seziert etwa, was die Clintons während ihrer Zeit in dem Bundesstaat getrieben haben. Dann gibt es Judicial Watch, in rund 20 Klagen gegen Hillary involviert. Eine weitere Organisation hat sogar im Deep Net geforscht, um Papiere über die Clinton Foundation zu finden. Und natürlich alle jene Spinner und Bestsellerautoren, die Clinton mal lesbisch nennen, mal nymphoman, mal gar eine Mörderin, ihr Kokainsucht oder Tablettenabhängigkeit unterstellen. „Hillary-Hassen ist zu einem nationalen Zeitvertreib geworden, den Elite und Pöbel teilen“, resümierte der New Yorker. So entsteht ein Narrativ: der einer Frau, der man schlicht nicht trauen kann.

Hillary Clinton im Portrait

An dem Narrativ schreiben viele gerade wieder mit. Aus Sicht von Clinton-Verbündeten auch der FBI-Chef, dessen späte Interventionen im Wahlkampf gegen den Rat vieler hochrangiger Mitarbeiter erfolgten. Vor allem aber natürlich Trump. Er geht sie als nasty woman an, als scheußliche Frau, er ruft dazu auf, sie zu erschießen, und versteht das als großen Spaß.

Die Anti-Clinton-Industrie kann aber auch auf all jene Wähler bauen, die sich ebenso wenig wie einen schwarzen Mann eine weiße Frau im Oval Office vorstellen wollen. Schon als First Lady musste Clinton rasch lernen, dass eine unabhängige Mitgestalterin vielen Bürgern nicht behagte. Erst als sie sich als häusliche Gattin neu erfand – und später als betrogene Ehefrau, die sich tapfer schlug –, stieg ihre Popularität. Aber noch im Jahr 2016 gilt: Dürften nur männliche Amerikaner abstimmen, läge Trump vorne.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%