Kandidaten Volkssport: Hillary hassen

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Der neue Nixon?

Doch selbst amerikanische Frauen sind in Sachen Clinton gespalten. Anne-Marie Slaughter, Planungschefin von Clinton im Außenamt und Autorin eines Weltbestsellers über die Vereinbarkeit von Mutterschaft und Beruf, kann verstehen, dass junge Frauen ganz gelassen bleiben. „Die sagen: Klar wird es bald eine Frau, ich habe Zeit – es muss nicht Hillary Clinton sein.“

Die Vorwürfe gegen die Präsidentschaftskandidaten
Trumps bedenkliche Äußerungen Quelle: dpa
Clintons Gesundheitszustand Quelle: AP
Trumps bedenkliche Äußerungen Quelle: AP
Clintons Stiftung im Zwielicht Quelle: AP
Clintons Rolle in Libyen Quelle: REUTERS
Clintons E-Mail-Affäre Quelle: REUTERS
Trumps Versuche Steuern zu vermeiden Quelle: dpa

Clinton muss sie also über Themen abholen, nicht über ihr Charisma. Und das müsste ihr eigentlich entgegenkommen. Der bekannte US-Buchautor George Packer hat gerade wieder erstaunt beschrieben, wie Clinton im Gespräch regelrecht aufblühe, wenn sie über „langfristige Investitionen in Forschung und Arbeitskräfte“ dozieren dürfe. Clinton ist öffentliche Figur, seit sie als 22 Jahre alte Studentin in Wellesley eine Abschlussrede hielt, über die Medien quer durch die USA berichteten. Sie war eine von Inhalten getriebene Politikerin, lange bevor sie Bill kennenlernte.

„Aber Themen und Inhalte haben im Trump-Lärm ja keine Rolle gespielt“, sagt Peter Goldmark. Der Ex-Chef der Rockefeller Foundation empfängt in seinem New Yorker Büro, er bastelt gerade an Ideen, wie Clinton Amerikas Gesellschaft wieder vereinen könne. „Natürlich treibt sie eine tiefe Sorge um das öffentliche Wohl“, sagt er.

Doch Goldmark weiß auch um Clintons Schwächen. Dafür, dass sie so lange dabei ist, ist sie eine verblüffend schlechte Rednerin. Bei der Auswahl ihrer Vertrauten ist sie nachlässig bis naiv. Und Geld war ihr so wichtig, dass sie und ihr Mann zwischen 2001 und 2015 nicht weniger als 729 bezahlte Vorträge gehalten haben, Stückpreis: 210 795 Dollar. Morgan Stanley buchte Rednerin Clinton etwa, Goldman Sachs auch. Geht es noch elitärer?

Und für die Elite, so könnten Wähler Clinton unterstellen, gelten anscheinend andere Regeln, siehe E-Mail-Server. Rivale Trump erinnert daran stets: Er sagt, nicht nur das elitäre System sei „rigged“, also unfair. Sondern Hillary eben zentraler Teil dieses „Systems“.

Clintons wirtschaftspolitische Pläne

Zweifel am System, Zweifel an Hillary

Laut einer Gallup-Umfrage haben die Amerikaner ihren Politikern und den politischen Institutionen noch nie so misstraut wie heute: 81 Prozent gaben im September an, ihrer Regierung nur ab und zu oder gar nicht mehr zu glauben. Und so ist die Krise des politischen Systems in jedem Winkel der USA zu spüren, auch im Palmetto Club Columbia, South Carolina. Hier ist der Holzboden gebohnert, das Klavier in der Ecke frisch gestimmt. Unternehmer und Anwälte machen es sich an einem Donnerstagabend bei Rotwein und Bourbon bequem. „Unwürdig“ sei der Wahlkampf, sagt ein Anwalt mit blonder Gelfrisur. „Beide Parteien haben bei ihrem einzigen Job versagt – der Auswahl guten Personals.“

Vorne auf der Bühne stehen zwei Mittdreißiger und versuchen eine Antwort: Matt Moore, junger Chef der Republikaner im Staat, und sein demokratischer Gegenpart. „Wir sind uns in vielen Themen uneinig“, beginnt Moore, ein schneidiger Mann mit lila Krawatte und Manschettenknöpfen. „Aber wir sind uns einig, dass wir den Glauben an die Institution Politik wieder herstellen müssen. Er ist in dieser Wahl verloren gegangen.“ Moores Worte klingen zugleich wie eine Schuldzuweisung an die Kandidatin Clinton. Und wie ein Arbeitsauftrag an die mögliche Präsidentin Clinton.

Das Duell zwischen Hillary Clinton und Donald Trump wird als der bislang abstoßendste Wahlkampf in die neuere Geschichte der USA eingehen. Sein erstes Opfer ist die Demokratie. Das zweite Opfer wird die Wirtschaft sein.
von Miriam Meckel

So scheint sich keine Druckwelle der Begeisterung über die erste amerikanische Präsidentin durch das Land zu schieben, sondern eine aus Frust und Ratlosigkeit. Sie schiebt sich aus der Provinz bis in die Metropolen im Osten des Landes, nach New York, ins rot geklinkerte Wahlkampfbüro von Clinton, nahe der Brooklyn Bridge.

Davor steht ein einzelner Demonstrant, auf seinem Schild steht: „Ich bin ein Demokrat, der Antworten will.“ Und auf der Rückseite bezieht er sich auf jenen einzigen Präsidenten, der zurücktreten musste, weil er Amerika zur Watergate-Affäre belogen hatte, Richard Nixon: „Hillary ist der neue Nixon.“

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