Kapitalflucht Geld der Zyprer offenbar in Unmengen abgeflossen

Vor der Schließung der Banken sollen große Mengen Geld auf Zypern abgeflossen sein. Auch zyprische Beamte sollen ihre Konten leer geräumt haben. Ziel der Überweisungen könnte ein anderes EU-Land sein.

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Noch sind alle Banken in Zypern geschlossen. Quelle: Reuters

Nikosia/Brüssel Anleger in Zypern haben vor der Bankenschließung möglicherweise im großen Stil Geld abgezogen. Der zyprische Parlamentspräsident Giannakis Omirou will den Verdacht prüfen, wonach es ungewöhnlich hohe Geldüberweisungen ins Ausland sowie größere Bargeld-Abhebungen gegeben haben soll.

Omirou soll eine Liste mit Überweisungen der vergangenen Wochen angefordert haben. Zudem untersucht die Regierung in Nikosia, ob auch hohe Summen ins Ausland transferiert wurden, als die Banken bereits geschlossen hatten und das Online-Banking gesperrt war.

Der Abfluss von Kapital soll zuerst bei der Europäischen Zentralbank (EZB) aufgefallen sein: Zyprische Banken forderten demnach viel mehr Geld an als ihre Kunden sich von Geldautomaten holten.

Der zyprische Parlamentspräsident will auch prüfen, ob hohe Beamte ihr Geld ins Ausland geschafft haben, die in Entscheidungszentren der Notenbank oder im Präsidialgebäude sitzen und von der bevorstehenden Entscheidung zur Schließung der Banken am 16. März wussten. Zyprische Medien berichteten ohne Quellenangabe, es seien „Unmengen“ von Geld abgehoben worden.

Schon vor Wochen empfahlen zyprische Wirtschaftskanzleien ihren ausländischen Kunden, die auf Zypern eine Firma unterhalten, ein Konto auf Malta. Der Trend habe stark zugenommen, seit die ersten Spekulationen über eine Beteiligung von Spareinlagen an der Bankenrettung aufkamen, sagte ein Insider dem Handelsblatt.

Internationale Kanzleien mit Sitz in Texas schickten gezielt E-Mails an zyprische Firmen. "Malta besitzt einen starken Finanzsektor, eine gute Wachstumsrate und niedrige Staatsschulden", hieß es darin. Bemühungen, die bisher nach Zypern fließenden Gelder aus Russland, der Ukraine, Großbritannien und dem Libanon anzuziehen, gibt es nach Angaben von Insidern auch von Kanzleien auf der Isle of Man und aus Lettland.

Die Banken sollen am Donnerstag nach fast zwei Wochen wieder öffnen. Die Regierung fürchtet Chaos. Unklar waren zunächst Details zu Kapitalbeschränkungen, mit denen Zypern nach Öffnung der Banken massive Geldabflüsse verhindern will. Möglicherweise gelten sie für einige Wochen. Es wird erwartet, dass Bankkunden künftig nur bestimmte Höchstbeträge pro Tag und Monat abheben dürfen. Das Limit für Geldautomaten war am Sonntag je nach Bank auf 100 bis 120 Euro reduziert worden.


Fitch droht mit Herabstufung

Die Ratingagentur Fitch hat dem Land mit einer baldigen erneuten Herabstufung seiner Kreditwürdigkeit gedroht. Das bisherige Rating „B“ werde wegen des angeschlagenen Bankensektors unter verschärfte Beobachtung (Rating Watch Negativ) gestellt, teilte die Ratingagentur am Dienstag in London mit. Fitch bewertet Zypern aber weiter weniger negativ als Standard & Poor's („CCC“) und Moody's („Caa3“).
Vor allem das gescheiterte zyprische Bankensystem sei für die Entscheidung verantwortlich, schreibt Fitch. Ob es tatsächlich zu einer Herabstufung kommt, hänge von den Einzelheiten des mit der Troika (EZB, EU, IWF) vereinbarten Programms ab. Entscheidend sei auch die Bereitschaft der zyprischen Behörden zur Umsetzung von Reformen.
Die Geldhäuser öffnen zwei Tage später als ursprünglich geplant. Finanzminister Michalis Sarris begründete die längere Sperrung bis Donnerstag mit der Sorge vor massiven Geldabflüssen. Auch habe die Regierung Zeit gebraucht, um Kapitalverkehrskontrollen zu installieren. Ursprünglich sollten die Banken am Dienstag wieder öffnen - nach zehntägiger Schließung.

Im Zuge der Banken-Rettung könnten reiche Anleger in Zypern etwa 40 Prozent ihrer Geldanlagen verlieren - als Beitrag zur Sanierung des Bankensektors. Sarris nannte dies im britischen Sender BBC eine realistische Größenordnung.

Nach dem Rettungspaket sollen Einlagen oberhalb der EU-weiten Sicherungsgrenze von 100 000 Euro an der Banken-Sanierung beteiligt werden. Das zweitgrößte Geldhaus, die Laiki-Bank, wird abgewickelt. Ein Teil ihres Geschäfts wird von der Bank of Cyprus übernommen. Aus Protest gegen die Sanierung trat der Chef der Bank of Cyprus, Andreas Artemi, zurück, wie der staatliche Rundfunk meldete.

Die EU-Kommission sieht die Rettung Zyperns unter Einbeziehung von Großsparern und Gläubigern nicht als Modell für die Zukunft. „Der Fall Zypern ist einzigartig, und zwar aus vielerlei Gründen“, sagte die Sprecherin von Binnenmarktkommissar Michel Barnier. Sie reagierte verhalten auf Äußerungen von Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem. Dieser hatte am Vortag erklärt, die Beteiligung von Kontoinhabern an der Bankenrettung Zyperns könne als Modell für künftige Hilfsprogramme gelten, war danach aber zurückgerudert. Der niederländischen Zeitung „De Volkskrant“ sagte Dijsselbloem, der Rettungsplan für Zypern sei keine „Blaupause“ für andere Länder.

Die Kommissionssprecherin betonte, Bankeinlagen von mehr als 100 000 Euro seien nicht vor Totalverlust bei Bankpleiten geschützt. Ein schon länger vorliegender Gesetzentwurf Brüssels schließe nicht aus, dass Guthaben über diesem gesetzlich gesicherten Betrag zur Restrukturierung von Banken verwendet werden könnten. „Die Diskussion läuft derzeit noch, es gibt noch keine endgültige Einigung.“ In jedem Fall seien aber alle Guthaben bis zu 100 000 Euro bei einer Banken-Pleite staatlich garantiert.

Das französische EZB-Direktoriumsmitglied Benoît Couré versuchte ebenfalls, die Debatte zu beruhigen. Er bezeichnete das Krisenmanagement in Zypern als klaren Sonderfall. Die Probleme seien einzigartig, kein anderes Land im Euroraum befinde sich in einer vergleichbaren Lage, sagte er dem Radiosender Europe 1.

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