Katalonien-Konflikt Gericht verhängt Haft mit Kaution gegen Parlamentarier

Der Oberste Gerichtshof behandelt die angeklagten Separatisten vorsichtiger als der Nationale Gerichtshof. Die Entscheidung bringt Entspannung in die juristische Aufarbeitung der Unabhängigkeitserklärung.

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Unabhängigkeitsbemühungen enden vor Gericht: Sechs Präsidiumsmitglieder des katalanischen Parlaments sind am Obersten Gericht verhört worden. Quelle: Reuters

Madrid Der Oberste Gerichtshof in Madrid hat für Entspannung im Konflikt um die Unabhängigkeit Kataloniens gesorgt. Am Donnerstag waren sechs Präsidiumsmitglieder des katalanischen Parlaments wegen illegaler Abstimmungen im Zusammenhang mit der Unabhängigkeitserklärung Kataloniens verhört worden. Nach Angaben der spanischen Zeitung „La Vanguardia“ forderten die Richter Untersuchungshaft für die Präsidentin des katalanischen Parlaments, Carme Forcadell. Allerdings: Sobald Forcadell eine Kaution von 150.000 Euro zahlt, wird sie unter Auflagen wieder freigelassen. Weitere vier Mitglieder des Präsidiums haben eine Woche Zeit, um 25.000 Euro Kaution zu zahlen und damit eine U-Haft zu vermeiden. Das sechste Mitglied des Präsidiums stimmte im Parlament gegen die Unabhängigkeitserklärung und kann ohne Kaution und Auflagen auf freiem Fuß bleiben.

Das Oberste Gericht behandelt die angeklagten Separatisten damit vorsichtiger als der Nationale Gerichtshof, der acht abgesetzte katalanische Minister am vergangenen Donnerstag in Untersuchungshaft steckte. Das hatte das Lager der Unabhängigkeitsbefürworter erneut in ihrem Protest gegen den spanischen Staat bestärkt. Sie beklagen politische Häftlinge. Dabei hat die Menschenrechtsorganisation Amnesty International am heutigen Donnerstag klargemacht, dass sie nicht davon ausgeht, dass die verhafteten Politiker „aus Gewissensgründen“ im Gefängnis sitzen, sondern für Delikte, die sie begangen haben.

Der Oberste Gerichtshof ist für aktive Politiker zuständig, die noch ihre parlamentarische Immunität besitzen. Die Anklage gegen die abgesetzten und verhafteten Ex-Minister der katalanischen Regierung verhandelt dagegen der Nationale Gerichtshof. Allen Angeklagten wird Rebellion, Anstachelung zum Aufruhr sowie Veruntreuung öffentlicher Gelder vorgeworfen. Allein auf Rebellion stehen bis zu 30 Jahre Gefängnis.

Den Mitgliedern des Parlamentspräsidiums wird vorgeworfen, die Abstimmung über die verfassungswidrige Unabhängigkeitserklärung erlaubt zu haben. Außerdem wird ihnen angelastet, Anfang September zwei Gesetze zur Abstimmung freigegeben zu haben, die ebenfalls gegen die spanische Verfassung verstoßen: das Gesetz über das Unabhängigkeitsreferendum und das über die Übergangszeit von einer Region in eine eigene Republik.

Die Anhörung vor beiden Gerichten war in der vergangenen Woche für alle Angeklagten festgesetzt. Das Oberste Gericht gab den Anwälten der Mitglieder des Parlamentspräsidiums aber mehr Zeit, um die Verteidigung ihrer Mandanten vorzubereiten. Sie änderten heute ihre Strategie gegenüber der für die Ex-Minister: Die hatten in der vergangenen Woche die Aussage verweigert und lediglich ihre Anwälte sprechen lassen.

Aus Kreisen der Staatsanwaltschaft hatte es in den vergangenen Tagen geheißen, dass sie davon absehen werde, erneut die Untersuchungshaft für die Angeklagten zu fordern, wenn diese aussagen und sich klar von der verfassungswidrigen Unabhängigkeitserklärung der Region distanzieren. Mehrere spanische Zeitungen berichteten, dass die Angeklagten genau das in ihren Aussagen getan haben. Die Parlamentspräsidentin Carme Forcadell habe die Unabhängigkeitserklärung als „symbolischen Akt“ ohne juristische Folgen bezeichnet.

Diese Erklärung mag juristisch helfen, für das Lager der Separatisten ist sie aber neu. Der ehemalige katalanische Regierungschefs Carles Puigdemont etwa bezeichnet sich im Brüsseler Exil weiter als legitimen Präsidenten der katalanischen Republik. Am Mittwoch hatten zahlreiche Unabhängigkeitsbefürworter zudem „zur Verteidigung der katalanischen Republik“ Autobahnen in Katalonien sowie Zugstrecken im Rahmen eines Generalstreiks blockiert.

Alle sechs angeklagten katalanischen Parlamentarier betonten offenbar zudem, sie würden die Zwangsverwaltung der Region nach Artikel 155 der spanischen Verfassung akzeptieren. Der spanische Generalstaatsanwalt hatte trotzdem U-Haft ohne Möglichkeit einer Kaution für Forcadell und drei weiteren Präsidiumsmitgliedern gefordert. Der Richter ist ihm aber anders als seine Kollegin am Nationalen Gerichtshof nicht gefolgt. Er hat damit vermieden, weiter Öl ins Feuer des Konflikts zu gießen.

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