Katalonien-Konflikt Oberstes Gericht Spaniens kritisiert Entscheidung des OLG Schleswig

Drei Richter finden deutliche Worte für das deutsche Gerichtsurteil, Kataloniens Ex-Präsidenten nicht wegen Rebellion an Spanien auszuliefern.

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Der katalanische Ex-Präsident wurde am 25. März in Deutschland mit einem europäischen Haftbefehl festgenommen, wurde kurz nach Ostern jedoch wieder freigelassen. Quelle: Reuters

Madrid Eine offizielle Antwort auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Schleswig Holstein ist es zwar nicht, was drei Richter des spanischen Obersten Gerichtshofs am heutigen Dienstag in Madrid zu Papier brachten. Doch ihre Antworten geben einen Einblick, wie das deutsche OLG-Urteil ankam.

Der Ton ist bisweilen sarkastisch. Die Richter erklären, die 6000 spanischen Nationalpolizisten, die am Tag des illegalen Unabhängigkeitsreferendums in Katalonien die Abstimmung verhindern sollten, seien den rund zwei Millionen katalanischen Wählern zahlenmäßig absolut unterlegen gewesen.

Deshalb habe das Referendum am 1. Oktober stattfinden und später als Rechtfertigung dienen können, die katalanische Republik auszurufen. „Wenn eine weitaus größere Zahl von Polizisten eingegriffen hätte, ist es sehr wahrscheinlich, dass alles in einem Massaker geendet hätte und dann wäre es sehr gut möglich, dass das Ergebnis des europäischen Haftbefehls ganz anders ausgefallen wäre“, schreiben sie.

Die Erklärungen sind Teil eines Berufungsurteils gegen den inhaftierten Separatisten Jordi Sànchez. Der hatte Einspruch gegen die Entscheidung des Obersten Gerichts eingelegt, ihm keinen Freigang zu gewähren, um sich im katalanischen Parlament zum neuen Präsidenten vereidigen zu lassen. Die drei Berufungsrichter nutzen in ihrem Urteil die Gelegenheit, ihren Unmut über die Entscheidung des OLG kundzutun.

Der abgesetzte katalanische Präsident Carles Puigdemont, der das Referendum mit seiner damaligen Regierung organisiert hatte, ist Ende Oktober nach Brüssel geflohen und anschließend zu Veranstaltungen durch Europa gereist. Auf dem Rückweg von einer seiner Reisen ist er am 25. März in Deutschland mit einem europäischen Haftbefehl festgenommen worden, den das Oberste Gericht in Spanien ausgestellt hatte.

Das Oberlandesgericht Schleswig Holstein ließ ihn jedoch kurz nach Ostern gegen Auflagen wieder frei. Es argumentiert, dass die Gewalt, die in Katalonien angewendet worden ist, nicht ausreiche, um nach deutschem Recht eine Anklage wegen Hochverrats zu rechtfertigen. Hochverrat ist das deutsche Pendant zur Rebellion im spanischen Strafgesetz, wegen der Puigdemont angeklagt ist und ausgeliefert werden soll.

Zahlreiche spanische Juristen kritisieren die deutsche Entscheidung. Bleibt das OLG bei seiner Haltung, kann Puigdemont in Spanien nicht wegen Rebellion der Prozess gemacht werden.

Die drei spanischen Berufungsrichter sind überzeugt, dass das OLG keinen „rein symbolischen Schuldspruch“ beschlossen hätte, wenn sich Vorgänge aus Katalonien in einem deutschen Bundesland abgespielt hätten. Sie kritisieren den Vergleich des Fall mit einem Urteil des Bundesgerichtshof zur Startbahn West, den das OLG in seiner Begründung aufführt.

Dabei protestierten Anfang der 80er-Jahre über 100.000 Anwohner gegen die neue Startbahn des Frankfurter Flughafens und lieferten sich tagelang teils heftige Auseinandersetzungen mit der Polizei.

Die spanischen Richter argumentieren, Proteste gegen eine Startbahn könne man nicht mit dem Versuch einer Region vergleichen, ihr Territorium aus einem Staat heraus zu lösen. Sie weisen zudem darauf hin, dass die Staatsanwaltschaft dem OLG die Option offen gelassen habe, zumindest das Delikt des Aufstands als erfüllt anzusehen, für den keine Gewaltanwendung nötig ist. Doch auch das sei nicht passiert.

In der vergangenen Woche hatten sich die zuständigen Staatsanwälte aus Spanien und Deutschland in Den Haag getroffen, um über den Fall Puigdemont zu sprechen. Die Spanier haben ihren deutschen Kollegen dabei Videoaufnahmen und weitere Ermittlungsergebnisse zur Verfügung gestellt, um zu belegen, dass es tatsächlich eine erhebliche Gewaltanwendung in Katalonien gegeben hat.

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