Katalonien-Konflikt „Wir haben zu lange geschwiegen“

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„Rajoy hat uns jahrelang hier alleine gelassen“

Dabei sind viele der Demonstranten auch nicht gerade Fans der Regierung in Madrid. „Rajoy hat uns jahrelang hier alleine gelassen“, sagt der Rentner José Martínez mit Blick auf den spanischen Premier Mariano Rajoy. Der hat die katalanischen Separatisten in der Vergangenheit nicht ernst genommen.

Nicht nur Martínez gibt ihm deshalb eine Mitschuld an dem Drama, das die Region derzeit erlebt. Doch solche Bedenken werden vorerst beiseitegeschoben. Jetzt geht es zunächst darum, die akute Krise zu meistern. Selbst die sozialistische Opposition hat sich mit Rajoy im Kampf gegen die Abtrünnigen vereint.

Die mächtige Demonstration der Gegner steht im Kontrast zu der Stille, die die Separatisten seit ihrer so lange ersehnten Unabhängigkeitserklärung am Freitag umgibt. Wider Erwarten feierten am Freitagabend nur einige Tausend die neue Republik. Am Samstag blieb es auf den Straßen ganz ruhig, obwohl der von Madrid abgesetzte katalanische Ministerpräsident Carles Puigdemont zu Widerstand gegen die Zwangsmaßnahmen aus Madrid aufrief.

Doch es scheint sicher, dass es so still in den kommenden Tagen nicht bleiben wird. Ab Montag übernehmen die neuen Chefs aus Madrid die Geschäfte in Barcelona. Das bietet jede Menge Konfliktpotenzial.

Nach Medienberichten könnte der Generalstaatsanwalt am Montag die Festnahme Puigdemonts anordnen. Sollte er wegen Auflehnung gegen die Staatsgewalt oder Rebellion verurteilt werden, drohen ihm bis zu 30 Jahre Haft. Puigdemont hatte am Samstag angedeutet, dass er seine Amtsenthebung durch die Zentralregierung in Madrid nicht anerkennt.

Bei der Neuwahl am 21. Dezember haben die Separatisten aber laut einer am Sonntag in der Madrider Zeitung „El Mundo“ veröffentlichten Umfrage möglicherweise schlechte Karten: Demnach müssen sie mit einem Verlust der Mehrheit im Regionalparlament rechnen. Würde jetzt gewählt, kämen die drei nach Unabhängigkeit strebenden Parteien zusammen auf höchstens 42,5 Prozent der Stimmen. Sie würden damit auf 65 Sitze im Parlament kommen. Für die absolute Mehrheit sind in Barcelona mindestens 68 Sitze nötig.

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