Katalonien Puigdemont kämpft mit allen Tricks

Die Separatisten vertagen die illegale Wahl von Carles Puigdemont zum Regierungschef. Sie halten an ihm als Kandidaten für das Amt fest, wollen aber offenbar keine Gesetze mehr brechen. Doch beides zusammen geht nicht.

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Madrid In Brüssel ist er zwar weit weg von allem, doch selbst von dort versetzt Carles Puigdemont die spanische Regierung in Angst und Schrecken. Seit Tagen kontrollieren Polizeibeamte die Grenzen, patrouillieren rund um das katalanische Parlament und suchen sogar unter Gullideckeln. Noch nicht einmal durch die Kanalisation soll der abgesetzte Regierungschef unbemerkt ins Parlament gelangen können um sich erneut vereidigen zu lassen.

Gegen Puigdemont liegt ein Haftbefehl in Spanien vor. Schaffte er es aber ins Parlament, könnte die Polizei ihn dort nicht festnehmen, wenn der Parlamentspräsident ihr den Zutritt zu der Volksvertretung verweigert. Der Gesuchte narrt unterdessen den Rest des Landes mit aktuellen Fotos von Barcelona, die er auf Instagram postet. Für heute Nachmittag hat die separatistische Bürgerbewegung ANC zur Demo vor dem Parlament aufgerufen und dafür Puigdemont-Masken produziert, die sich die Teilnehmer aufsetzen sollen um die Behörden zu verwirren.

Die Szenen zeigen, wie unversöhnbar beide Seiten sich immer noch gegenüber stehen. Von Annäherung oder Kompromisssuche keine Spur. Puigdemont war nach dem illegalen Unabhängigkeitsreferendum und der Deklaration der katalanischen Republik nach Brüssel geflohen. Bei der Wahl kurz vor Weihnachten gewann er die meisten Stimmen im separatistischen Block, der abermals die Mehrheit im Parlament gewann. Seitdem besteht er darauf, wieder zum Präsident ernannt zu werden.

Seine Vereidigung war für heute Nachmittag vorgesehen. Doch die spanische Regierung rief in ihrer Not das Verfassungsgericht an und bat es, die Kandidatur von Puigdemont zu verbieten, weil er ein flüchtiger Angeklagter sei. Das Verfassungsgericht folgte dieser juristisch schwer haltbaren Forderung zwar nicht. Es entschied aber, dass Puigdemont nicht von Brüssel aus ernannt werden kann und die Erlaubnis eines Richters braucht, um persönlich im Parlament ernannt werden zu können. Anders formuliert verbot es jegliche mögliche Form seiner Ernennung.

Der neue Parlamentspräsident Roger Torrent vertagte daraufhin am Dienstagvormittag die geplante Sitzung. Die Entscheidung zeigt den „neuen Realismus“, den seine Partei, die separatistische linksrepublikanische ERC, vertritt. Sie will zwar weiter für die Unabhängigkeit kämpfen, aber nicht erneut die Gesetze brechen. In Puigdemonts Wahlliste sehen das nicht alle so. Torrent versicherte jedoch, dass er an Puigdemont als legitimem Kandidaten festhalte. „Weder die Vizepräsidentin Soraya noch das Verfassungsgericht werden entscheiden, wer der Präsident der katalanischen Regierung wird. Dieses Parlament wird den Kandidaten ernennen, der die Unterstützung der Mehrheit erhält.“

Und das ist bislang Puigdemont. Torrent will so lange mit der Sitzung warten, bis es die nötigen Garantien gebe, dass Puigdemont legal vereidigt werden kann. Macht er damit ernst, wird es keine neue Regierung geben und Katalonien bleibt weiter unter Madrider Zwangsverwaltung. Doch es ist auch gut denkbar, dass Puigdemont mit seinem Egotrip das Lager der Separatisten endgültig spaltet. Ein erster Abgeordneter der zweiten großen Unabhängigkeitspartei hat gestern bereits gefordert, Puigdemont zu opfern, um wieder eine eigene Regierung zu bekommen und das Kuratel aus Madrid zu beenden.

Die Solo-Nummer des Ex-Präsidenten hat auch schwere juristische Folgen für viele Beteiligte: Eine Handvoll Abgeordneter, die wegen Rebellion angeklagt sind, ist nur gegen Kaution auf freiem Fuß. Würden sie für Puigdemont stimmen, machten sie sich erneut strafbar und landeten vermutlich postwendend in der Gefängniszelle. Parlamentspräsident Torrent, der sein Leben lang Politiker war, würde mit einem Amtsverbot belegt, wenn er die Abstimmung trotz des Verbots ansetzt.

Für die Wirtschaft ist die anhaltende Hängepartie Gift. „Die Investitionen in Katalonien liegen bei den meisten Unternehmen immer noch auf Eis“, sagt Kai Christian Fischer, Anwalt bei der Kanzlei Cuatrecasas in Barcelona, dem Handelsblatt. Bisher hat die Krise der spanischen Konjunktur allerdings weniger zugesetzt als befürchtet. Die Wirtschaft ist im vergangenen Jahr um 3,1 Prozent gewachsen und gehört damit weiterhin zu den dynamischsten Märkten der Euro-Zone. Im vierten Quartal hat das Wachstum allerdings auf 0,7 Prozent nachgegeben, nachdem es im Vorquartal 0,8 Prozent betragen hatte. Für dieses Jahr erwartet der spanische Wirtschaftsminister Luís de Guindos weiter eine drei vor dem Komma, allerdings müsse sich dafür die Lage in Katalonien stabilisieren.

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