Katar Erst Eldorado, dann Schuldenhölle

Katar ist für viele Manager aus dem Ausland ein Paradies. Denn ein Job im Golfstaat verspricht hohes Gehalt und Prestige. Doch der Ölpreisverfall bringt die dunkle Seite des Landes zum Vorschein. Ein Manager erzählt.

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Viele Ausländer in den Golfstaaten finden sich in der Schuldenfalle wieder, seit die Öleinnahmen in der Region nicht mehr sprudeln und Bauprojekte auf Eis gelegt werden. Quelle: AP

Doha Robert Foster saß in Katar in der Falle. Er hatte seine Arbeit in dem Emirat verloren und durfte wegen horrender Schulden nicht ausreisen. Monatelang harrte er aus, verkaufte alles, was er besaß und musste schließlich all seine Ersparnisse aufbringen, um nach Hause in die USA reisen zu können.

Vielen anderen Ausländern in den Golfstaaten geht es ähnlich, seit die Öleinnahmen in der Region nicht mehr so sprudeln wie früher und Bauprojekte aus Geldmangel auf Eis gelegt werden. „Eine Weile war das dort ganz schön furchterregend“, sagt Foster, der in der Stadt Beaufort in South Carolina lebt. „Wir haben alles verkauft, was wir hatten.“

Der 50-Jährige kam als Manager für die staatsnahe Firma Hamad Medical, die Rettungsdienste anbietet, nach Katar. Er hatte einen Vertrag über drei Jahre und nahm seine Arbeit im März 2014 auf. Mindestens sechs Jahre wollte er bleiben, um dann genug Geld für ein Haus in den USA zusammen zu haben.

Doch es kam anders: Den ersten Gehaltsscheck erhielt er erst nach drei Monaten, so dass er einen Kredit aufnehmen musste, um seine Lebenshaltungskosten und Kreditraten zu decken und dann noch seine Familie in der Heimat zu unterstützen. „Viele von uns mussten Kredite aufnehmen, um durchzukommen“, sagt Foster. „Und so hat es angefangen.“

Die jüngsten finanziellen Schwierigkeiten der Golfstaaten begannen mit fallenden Ölpreisen, die von mehr als 100 Dollar pro Barrel im Sommer 2014 auf unter 30 Dollar zum Jahresbeginn 2016 rutschten. Inzwischen steht der Preis wieder bei etwa 50 Dollar, aber in vielen Ländern der Region ist der Schaden bereits angerichtet.

Katar wurde schwer getroffen. Das Land ist Gastgeber der Fußballweltmeisterschaft 2022 und hat in Erwartung des sportlichen Großereignisses zahlreiche Bauprojekte begonnen. Mit dem Rückgang der Öl- und Gaspreise sanken jedoch auch die Einnahmen und zahlreiche private und staatliche Unternehmen entließen Mitarbeiter.

So feuerte die staatliche Qatar Petroleum bei der vergangenen Umstrukturierung mindestens 1.500 Leute, wie Energieminister Mohammed bin Saleh al-Sada erklärt: „Einheimische waren nicht betroffen und das war Teil unserer soliden Politik.“ Maersk Oil kündigte die Entlassung von zwölf Prozent der Belegschaft in Katar an. Die örtliche Tochter von Vodafone erklärte am 17. Mai, man werde jedem zehnten Mitarbeiter kündigen. Konkurrent Ooredoo trennte sich ebenfalls von Mitarbeitern.


Schuldenfalle treibt Ausländer zu Verzweiflungstaten

Für Foster begann mit seiner Entlassung die Abwärtsspirale. Vier Tage später kündigte die Qatar National Bank sein Konto und verrechnete sein verbliebenes Geld mit seinen Schulden. „Es gab keine Vorwarnung“, erklärt Foster. „Es war nur eine Textbotschaft, in der es hieß, ich hätte mein Konto überzogen.“

Nach katarischem Recht müssen Ausländer über ihren Arbeitgeber eine Ausreisegenehmigung beantragen, um das Land verlassen zu können. Als Foster nicht zu einer geplanten Reise mit seiner Frau aufbrechen konnte, wurde ihm klar, dass er in der Falle saß. Schließlich gelang es ihm, seine Frau auf einen Flug nach Hause in die USA zu buchen.

Er verkaufte all seinen Besitz und schlief in dem Haus, das ihm seine Firma zur Verfügung gestellt hatte, auf dem Fußboden. Sein verbliebenes Bargeld versteckte er ihm Gefrierschrank aus Angst, er könne als Schuldner verhaftet werden. Er ging nicht an die Tür und das Telefon, während er versuchte, das notwendige Geld für seine Ausreise zusammenzubekommen. „Ich musste ihnen meine Altersvorsorge und die Altersvorsorge meines Vaters geben, um gehen zu können“, sagt Foster. Hamad Medical und die Behörden in Katar wollten sich zu seinem Fall nicht äußern.

Der Amerikaner kennt andere Fälle, in denen es den Menschen noch viel schlimmer erging als ihm. Ein Kollege habe sich einen Strick gekauft, um sich aufzuhängen, anderen hätten sich tatsächlich das Leben genommen, erzählt er. Ein britischer Gerichtsmediziner untersuchte den mutmaßlichen Selbstmord eines Ingenieurs aus Gloucestershire, der im Februar 2015 in seinem Haus in Doha erhängt aufgefunden wurde.

Er erklärte im März, möglicherweise hätten finanzielle Sorgen den Mann zu seiner Verzweiflungstat getrieben. Der Fall ist noch nicht abgeschlossen, auch weil die Behörden in Katar nur wenige Informationen herausgeben, wie aus den Ermittlungsakten hervorgeht, die der Nachrichtenagentur AP vorliegen.

Selbstmorde werden auch aus anderen Golfstaaten gemeldet. So nahmen sich in den vergangenen drei Jahren mindestens 541 Inder in den Vereinigten Arabischen Emiraten das Leben, wie aus amtlichen Statistiken in Indien hervorgeht. In Saudi-Arabien waren es in diesem Zeitraum 337 mutmaßliche Suizide von Indern. In Katar töteten sich 2015 insgesamt 21 Inder. Und die Selbstmorde gehen in diesem Jahr weiter.

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