Katar-Krise Kurzes Durchatmen vor der Eskalation

Die Blockade-Staaten haben ihre Sanktionen gegen Katar erst einmal nicht verschärft. Doch eine Lösung zeichnet sich nicht ab, der Konflikt wird eskalieren. Am Ende schaden sich alle Beteiligten selbst. Eine Analyse.

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Die Skyline von Doha, Katar. Quelle: dpa

Die Erleichterung nach drei anstrengenden Tagen Pendeldiplomatie am Golf war Sigmar Gabriel anzumerken: Das Treffen der Außenminister der vier Blockade-Staaten, die sich am Mittwochabend in Kairo zunächst nicht auf verschärfte Sanktionen gegen Katar einigen konnten, „war zwar kein Durchbruch“, sagte der deutsche Außenminister nach seiner Landung vom Rückflug in Berlin. Es sei aber ein Ergebnis erzielt worden, „das den weiteren Prozess zumindest nicht erschwert“. Nun seien echte Verhandlungen aller Beteiligten gefragt.

Es herrscht also möglicherweise nur die Ruhe vor dem Sturm. Denn Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain und Ägypten haben bereits ein Folgetreffen in der bahrainischen Hauptstadt Manama vereinbart, Datum bisher offen. Bei dem wollen sie über härtere Strafen gegen Katar entscheiden, dem sie Terrorfinanzierung, Einmischung in ihre inneren Angelegenheiten, Propaganda über den TV-Sender Al Dschasira sowie ein klammheimliches Bündnis mit dem verfeindeten Iran vorwerfen. Seit dem 5. Juni versuchen sie, mit Grenzschließungen und ökonomischen Würgegriffen Katar zu isolieren.

Das kurzzeitige Innehalten der Blockierer Katars ist ohnehin nur zwei Männern zu verdanken, und kaum von langer Dauer. Denn die arabischen Nachbarstaaten, die sich gern als „Brüder“ Katars bezeichnen, schäumen, da das kleine Land auf der Halbinsel vor Saudi-Arabien am Persischen Golf kaum einen Millimeter nachgegeben hat. Wenn sie dies akzeptieren würden und nicht mit schärferen Strafen reagierten, wäre das ein massiver Gesichtsverlust – gerade für den neuen, jungen saudischen Kronprinzen Mohamed bin Salman. Er will radikale Reformen in seinem Land umsetzen und mit außenpolitischer Härte sowohl im Jemen, wie auch in Katar Kritik der zahlreichen Erzkonservativen in der Heimat an der Aufweichung starrer Statusregeln abfedern.

Dass es nun erst einmal etwas Atempause gibt, ist natürlich auch Sigmar Gabriel zu verdanken. Er will zwar offiziell gar nicht vermitteln. Doch er war eben bei allen Beteiligten. Und die wissen, dass er im engen Kontakt mit US-Außenminister Rex Tillerson und der EU steht, und dass dort wenig Verständnis für die Blockademaßnahmen besteht, sondern vielmehr Misstrauen gegenüber Saudi-Arabien selbst – weil das Land ebenfalls Extremisten fördert.

Vor allem aber war es Donald Trump. Seine Außenpolitik wird seit Amtsantritt scharf kritisiert, erratisch ist dabei bisher noch der mildeste Vorwurf. Und so ist es auch in dieser Krise: Erst stärkt er der Blockade-Front den Rücken, indem auch er – natürlich per Twitter – Katar Terrorfinanzierung vorwirft. Dann lässt er seinen Außenminister Rex Tillerson den heftigen Zwist, bei dem die diplomatischen Vertretungen geschlossen, Grenzen abgeriegelt, tausende Bürger zwangsumgesiedelt werden und Banken Gelder abziehen, zum „Familienstreit“ herunterdimmen. Den sollten die Konfliktparteien bitte selbst schlichten.

Die Akteure der Katar-Krise

Bis Trump eben am Mittwoch zum Telefonhörer greift, Ägyptens Militärmachthaber Abdel Fatah al-Sisi anruft und klarmacht: Der Konflikt müsse beendet werden. Zumindest kommen in der Folge erst einmal keine Sanktionsverschärfungen.

Das Interesse der USA ist klar: Sie haben in Katar ihr Kommandozentrum für den Nahen Osten. In Bahrain sind ihre Seestreitkräfte für die Region stationiert. In allen beteiligten Ländern verfügt Washington über eine starke Militärpräsenz. Unter Trump wollen die USA wieder die Rolle der Schutzmacht am Golf spielen. Und vor allem will Amerika dort allen seine Waffen verkaufen – selbstverständlich der „America first und der „Jobs, Jobs, Jobs“-Parolen Trumps wegen.

Allerdings werden in diplomatischen Hinterzimmern auch zwei andere, weniger ehrenwerte mögliche Motive genannt: Die Hochrüstung aller Seiten könnte zu einem so heftigen Konflikt führen, dass „Nachbestellungen“ oder „Ersatzbeschaffungen“ nötig werden könnten. Oder dass Washington das überambitionierte Saudi-Arabien in diesem Konflikt offen ins Messer rennen lässt – um am Ende die Kontrolle über den wichtigsten Petrostaat der Welt selbst zu übernehmen und der US-Energiewirtschaft Konkurrenz aus dem Weg zu räumen.

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