Katar Wird das WM-Land zum neuen deutschen Partner?

Das WM-Gastgeberland bemüht sich um eine gute Beziehung zu Deutschland. Dank gegenseitiger Investitionen besteht wachsendes Interesse aneinander. Quelle: dpa

Katar und Deutschland haben ein wachsendes Interesse aneinander. Im Nahen Osten brodelt es – Investitionen können da Vertrauen schaffen. Sigmar Gabriel soll bei der Deutschen Bank einen Gewährsmann Dohas ersetzen. Aber bei der Vertiefung der Kontakte gibt es wunde Punkte.

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Als Ahmed al-Sajid zum Empfang in seinem noblen Hochhaus lud, dürfte sich manch ein Mitglied der deutschen Delegation geschmeichelt gefühlt haben. „Ausgezeichnet, exzellent“ – so quittierte der Chef der katarischen Freihandelszonen-Behörde die Vorstellung der Besucher, die jüngst im Schlepptau von Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil in die Hauptstadt Doha gekommen waren.

Einige der Gesichter kannte der Gastgeber schon: In seiner Zeit als Leiter des mächtigen Staatsfonds QIA hatte al-Sajid die Aufsicht über Milliardeninvestitionen des Golf-Emirats, auch in der Bundesrepublik. Man schätzt sich, man spricht viel miteinander. Und jetzt, rund drei Jahre vor der umstrittenen Fußball-WM im Spätherbst 2022, will Katar die Deutschen seinerseits für ein größeres Engagement bei sich gewinnen.

Lockmittel gibt es reichlich. Im gemessen an der Pro-Kopf-Kaufkraft wohlhabendsten Staat der Welt sind zwei Gebiete entstanden, in denen ausländische Betriebe über 20 Jahre keine Steuern zahlen. Dazu kommen schlüsselfertige Gebäude. „Deutsche Firmen sind hochwillkommen“, betonte al-Sajid. Die Erdgas-Großmacht Katar will ihre Wirtschaft auf eine breitere Basis stellen und neue Interessenten ins Land holen.

Doch auch umgekehrt sind die Scheichs auf der Suche nach weiteren Anlagemöglichkeiten. Deutschland gilt als bevorzugter Partner. Die Investment-Sparte der QIA ist an Siemens oder Hapag-Lloyd beteiligt, die 17 Prozent Stimmrechte bei VW sind wohl das bekannteste Beispiel. 6,1 Prozent an der Deutschen Bank werden über zwei Gesellschaften der Herrscherfamilie Al Thani gehalten – und im Frühjahr könnte Ex-Außenminister Sigmar Gabriel anstelle des Schweizer Bankers und katarischen Gewährsmannes Jürg Zeltner in den Aufsichtsrat einziehen.

Zur WM Ende 2022 interessieren sich die Katarer vor allem für neue Konzepte städtischer Mobilität. Kürzlich unterzeichneten der aktuelle QIA-Chef Mansur bin Ibrahim al-Mahmud und VW-Chef Herbert Diess die Verträge für ein Projekt autonom fahrender Shuttles. Man verfolge insgesamt einen „strategischen und umsichtigen“ Ansatz, betont der Fonds – statt kurzfristiger Profite gehe es um „langfristige Werte“. Deutschlands Autobranche wird nach wie vor als führend angesehen.

Speziell Volkswagen, wo die Katarer zwei Aufsichtsräte stellen, fühlt man sich verbunden. „QIA wird das anhaltende Wachstum der VW-Gruppe weiter unterstützen“, heißt es – auch bei deren „Führungsrolle in der Massen-Elektrifizierung“ von Autos. Co-Aufseher Weil rechnet dem Fonds hoch an, dass er dem Konzern in der Abgaskrise die Treue hielt.

Aber so wichtig die Diversifizierung der Rohstoffökonomie sein mag: Das Gas bleibt einstweilen ein Kernsektor. Der Düsseldorfer Energiekonzern Uniper verhandelt mit Qatar Petroleum über die Belieferung eines möglichen LNG-Terminals in Wilhelmshaven. Die Chancen sollen gut stehen, ist aus Branchenkreisen zu hören.

Grundsätzlich ist Doha genau informiert über das, was in Deutschland geschieht. Als Weil neulich mit Emir Tamim bin Hamad Al Thani in dessen Palast plauderte, soll es nicht nur um die Konflikte in Syrien und Libyen, sondern auch um die neue SPD-Doppelspitze gegangen sein. Die Herrscherfamilie ist immer noch dankbar für die Rückendeckung, die der damalige deutsche Chefdiplomat Gabriel dem Land im Sommer 2017 nach der Verhängung der Handelsblockade durch die Nachbarn gab. Ein Kontrollmandat für ihn bei der Deutschen Bank dürfte ohne die wohlwollende Zustimmung des Ankeraktionärs Katar kaum möglich sein.

Trotz der Beteuerung, ein geduldiger Investor zu sein, registriert man jedoch auch problematische Entwicklungen wie die Abkühlung der Konjunktur. 2018 hatte das Emirat verkündet, größter arabischer Investor in Deutschland werden zu wollen. Der Bestand deutscher Direktinvestitionen in Katar lag da bei 282 Millionen Euro, während Katar in der Bundesrepublik schon auf etwa 7 Milliarden Euro kam – das geschätzte gesamte Anlagevermögen ist noch deutlich höher.

Dass große Aufstockungen realistisch sind, bezweifeln Experten aber. Benjamin Godel vom Bundesverband der Deutschen Industrie schätzt, dass Katar durchaus an Mittelständlern Interesse haben könnte. Doch das müsse man „von Branche zu Branche“ sehen. „Generell gilt, dass sich der industrielle Mittelstand mit Investitionen in regionale Märkte, die eine doch eher überschaubare Größe haben, schwer tut.“

Eine vielfältige Wirtschaft entstehe nicht von heute auf morgen. „Für Elektronik oder Software-Projekte und in der Technologie-Kooperation ist das Land gut aufgestellt“, so der Experte. „Eine Diversifizierung zur Fertigung auch von Massengütern dürfte aber schwieriger sein.“

Und dann ist da noch das Thema Arbeitnehmerrechte. Nach massiver Kritik an den Zuständen auf WM-Baustellen und bei Hausangestellten schob das Land Reformen an, die Internationale Arbeitsorganisation berät Katar. Ein Gesetz soll dafür sorgen, dass Gastarbeitern nicht der Pass abgenommen werden darf. Es gibt künftig einen Mindestlohn. Auch deutsche Diplomaten weisen allerdings darauf hin, dass diese Regeln erst in der gesellschaftlichen Wirklichkeit ankommen müssen.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund sieht das ähnlich. „Ich teile die Skepsis“, sagt Frank Zach aus dem DGB-Bundesvorstand. „Es sind erste Schritte, und auf den Baustellen hat sich einiges getan. Man muss jedoch schauen, ob das längerfristig eingehalten wird.“ Beschäftigte müssten sich zudem zusammenschließen und ihre Interessen vertreten dürfen – dies sei in Katar kaum entwickelt. Derzeit bessere sich die Lage bei den Arbeitnehmerrechten. „Aber wird das auch nach der WM gegeben sein?“, fragt der Gewerkschafter. „Wir werden sehen.“

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