Keine Angst vor China? „Sollte es zu einem Krieg kommen, steht die deutsche Wirtschaft vor einer Krise enormen Ausmaßes“

VW bei der China Motor Show 2022. Quelle: imago images

Während die Bundesregierung auf Diversifizierung pocht, investieren deutsche Unternehmen weiter Milliarden in die Volksrepublik. Im vergangenen Jahr waren es stolze 11,5 Milliarden Euro – und damit eine Rekordsumme.

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China rollt den roten Teppich aus: Nach den Schäden der chinesischen Zero-Covid-Strategie werden deutsche Unternehmen wieder in die Volksrepublik gelockt. Das wird vor allem auf dem China Development Forum klar, das am Montag zu Ende ging: Nach den USA stellten deutsche Top-Manager dort die größte Abordnung. Vertreten sind unter anderem die Chefs von Allianz, BMW, Bosch, Mercedes-Benz und Siemens.

Die Chinesen locken mit attraktiven Wachstumsaussichten auf ihrem Absatzmarkt. Das zeigt Wirkung: 2022 investierten deutsche Firmen 11,5 Milliarden Euro in die Volksrepublik, wie Zahlen der Deutschen Bundesbank zeigen. Das ist mehr als je zuvor. Auch in den Jahren davor waren die Investitionen höher als bisher bekannt: 2021 gingen rund zehn Milliarden nach China, 2020 waren es gerade einmal 2,1 Milliarden Euro.

Zusätzlich drohen die Wirtschaftsbeziehungen immer einseitiger zu werden: Während die Importe aus China steigen, entwickeln sich die Exporte nur schwach. Das Handelsbilanzdefizit stieg im Jahr 2022 gegenüber 2019 auf rund das Sechsfache. Um 84 Milliarden überstieg die Summe der stark wachsenden Importe aus China die Ausfuhren. Das spricht gegen die angestrebte Strategie der Bundesregierung, die auf Diversifizierung in den wirtschaftlichen Beziehungen setzt.



Denn: Die Unternehmen gehen mit solchen Investitionen ein großes Risiko ein. Käme es zu einer chinesischen Invasion in Taiwan, müssten die deutschen Unternehmen ihr China-Geschäft womöglich weitgehend abschreiben, erklärt IW-Außenhandelsexperte Jürgen Matthes. Das sei in erster Linie zwar das Risiko privater Investoren, dahinter stehe aber eine Sorge: „Gerade bei großen Unternehmen könnte es dazu kommen, dass am Ende Steuergelder nötig werden, um die Firmen und gefährdeten Arbeitsplätze in Deutschland zu retten.“ Dabei sei die Risikofreudigkeit der Unternehmen größer, wenn sie mit einer solchen Rettung rechnen könnten. „Sollte es zeitnah zu einem Krieg kommen, steht die deutsche Wirtschaft vor einer Krise enormen Ausmaßes“, kommentiert er.

Gerade börsennotierte Unternehmen orientierten sich bei Standortentscheidungen möglicherweise zu kurzfristig und blendeten längerfristige Risiken zu sehr aus. „Wenn Manager beispielsweise nur drei bis fünf Jahre in ihrer Position in China sind, dann versuchen sie in dieser Zeit das Geschäft voranzutreiben“, sagt Matthes. Die Anreizsysteme in den Unternehmen dürften nicht dazu führen, dass das, was danach komme, nicht mehr so relevant sei.

Fast die Hälfte der deutschen Industriefirmen ist derzeit auf Vorleistungen aus China angewiesen. Laut einer Umfrage des ifo-Instituts plant fast jedes zweite dieser Unternehmen die Importe aus China in Zukunft zu verringern.

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An der Spitze der Unternehmen, die in China investieren, stehen die Autohersteller Volkswagen, Mercedes-Benz und BMW. Anders als der Maschinenbau, die Elektroindustrie und die chemische Industrie hat die deutsche Autoindustrie ihre Investitionen in China deutlich ausgeweitet. 2019 machten diese 29 Prozent ihrer gesamten Auslandsinvestitionen aus. In den letzten Jahren hat der deutsche Automobilsektor durchschnittlich mehr als 70 Prozent der deutschen Investitionen und mehr als ein Drittel der europäischen Investitionen in China getätigt.

Auch Chemiegigant BASF sendet Signale pro China: Für den Ludwigshafener Konzern bleibt das Land der wichtigste Wachstumsmarkt, und Konzernchef Martin Brudermüller baut das Geschäft dort kräftig aus. BASF investiert in den nächsten Jahren zehn Milliarden Euro, um in Zhanjiang, im Süden des Landes, ein großes Werk für die Kunststoffproduktion hochzuziehen. Es ist eine der größten Einzelinvestitionen des deutschen Konzerns; in Zhanjiang entsteht der drittgrößte BASF-Standort nach Ludwigshafen und Antwerpen.

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Firmen müssen Abhängigkeiten verringern

Firmen müssen mit Hochdruck daran arbeiten, diese Abhängigkeiten zu reduzieren und Chancen in anderen Staaten zu ergreifen. „Sowas geht nicht von heute auf morgen“, mahnt Matthes. „Auf der einen Seite werden in Europa Seltene Erden entdeckt, auf der anderen Seite heißt es dann, dass es 10 bis 15 Jahre dauern kann, bis die gefördert werden können.

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