Kevin McCarthys Sieg Speaker um jeden Preis

Kevin McCarthy, neuer Vorsitzender des US-Repräsentantenhauses, zeigt auf das neu aufgehängte Schild, als er in seinem Büro ankommt, nachdem er als Sprecher des 118. Kongresses vereidigt wurde. Quelle: dpa

Kevin McCarthy ist nach einem tagelangen Wahlchaos Sprecher des Repräsentantenhauses. Doch der Kampf ist nach einem filmreifen Finale nicht vorbei: Das Amt hat er bereits stark geschwächt.

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Es war ein großes Drama: Verzweifelte Verhandlungen in letzter Minute auf offener Bühne. Hitzige Auseinandersetzungen, ja fast Handgreiflichkeiten zwischen Abgeordneten. Die Lage wendete sich mehrmals in entgegengesetzte Richtungen. Doch: Der Republikaner Kevin McCarthy hat es geschafft. Im 15. Anlauf erhielt der 57-Jährige am Freitagabend die nötige Stimmenmehrheit. Er wurde mit 216 zu 212 Stimmen zum Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses gewählt. Nach einem tagelangen Machtkampf gelang es ihm mit weitreichenden Zugeständnissen noch, genügend parteiinterne Kritiker auf seine Seite zu ziehen – oder sie dazu zu bringen, sich zumindest der Stimme zu enthalten. Seine Position als Vorsitzender ist allerdings geschwächt.

Dass McCarthy ein schwacher Speaker werden würde, hatte sich schon im November abgezeichnet. Damals hatten seine Republikaner bei den Zwischenwahlen deutlich schlechter abgeschnitten als erwartet und nur eine hauchdünne Mehrheit von fünf Sitzen im Repräsentantenhaus erobert. Damit war klar, dass McCarthy sich mit dem extrem rechten Flügel seiner Fraktion arrangieren werden müsste, wenn er sein Lebensziel erreichen und den zeremoniellen Hammer des Sprechers erobern wollte. Ob er angesichts der vielen Konzessionen jedoch viel Freude an ihm haben wird, ist eine andere Frage.

Denn McCarthy war bereit, viel von seiner Macht abgeben, um das dritthöchste Staatsamt in Washington zu erobern. Wenn irgendwann einmal ein neuer Sprecher gewählt ist, wird jedes Mitglied des Repräsentantenhauses jederzeit einen faktischen Misstrauensantrag gegen ihn stellen können. Stimmt eine Mehrheit gegen ihn, ist McCarthy – oder wer auch immer – seinen Job schon wieder los. Diese Regel war abgeschafft worden, nachdem die ständige Drohkulisse des rechten Flügels McCarthys republikanische Vorgänger im Sprecheramt, John Boehner und Paul Ryan, zum Rückzug aus der Politik getrieben hatte. Und beide hatten deutlich größere Mehrheiten hinter sich als der Kalifornier.

Donald Trump nennt ihn zärtlich „My Kevin“: Der Republikaner Kevin McCarthy könnte bei den US-Zwischenwahlen das dritthöchste Amt im Land erobern – und die wirtschaftspolitische Agenda von Präsident Joe Biden ausbremsen.
von Julian Heißler

Und Streit mit den Hardlinern ist bereits jetzt abzusehen. So musste sich McCarthy ebenfalls verpflichten, die Schuldengrenze nur dann anzuheben, wenn im Gegenzug die amerikanischen Staatsausgaben gekürzt werden. Die Grenze legt fest, bis zu welchem Betrag die US-Regierung bereits aufgenommene Kredite zurückzahlen darf. Die Anhebung ist eine der Pflichtaufgaben des Kongresses. Scheitert sie, steht die Kreditwürdigkeit der Vereinigten Staaten in Frage – und potenziell desaströse Auswirkungen für das Weltfinanzsystem.

Der rechte Flügel hat McCarthy nun also das Zugeständnis abgepresst, die Grenze nicht ohne Gegenleistung anzuheben. Das Problem: Die Demokraten haben bereits angekündigt, dass sie dabei nicht mitmachen werden. Und da die Partei im Senat die Mehrheit und mit Joe Biden den Präsidenten stellt, wird der neue Speaker einen Deal schließen müssen, will er nicht eine massive Wirtschaftskrise riskieren. Passt das Verhandlungsergebnis den Hardlinern nicht, können sie jederzeit versuchen, McCarthy den Stuhl vor die Tür zu stellen. Sofern er das Amt denn doch noch erringen kann.

Auch sonst haben sich die Rechtsaußen großen Einfluss gesichert. Ihre Verbündeten sollen künftig stärker in Ausschüssen vertreten sein – unter anderem auch mit drei Vertretern im mächtigen Rules Committee. Dort wird darüber entschieden, welche Gesetzesentwürfe überhaupt zur Abstimmung im Plenum kommen. Üblicherweise sitzen dort die Vertrauten des Speakers und winken seine Prioritäten durch. Künftig verfügen dort die Hardliner über eine Sperrminorität.




Auch hat sich McCarthy verpflichtet, dass sein Spendenvehikel künftig kein Geld mehr in Vorwahlkämpfen in sicher republikanischen Wahlkreisen ohne Amtsinhaber ausgibt. Bislang hatte er in solchen Bezirken tendenziell eher moderate Kandidaten unterstützt. Nun dürfte es schwerer werden, in solchen Fällen radikalere Bewerber zu verhindern.

Nicht alle Zugeständnisse sind so schmerzhaft. Künftig sollen zwischen der Veröffentlichung eines Gesetzestexts und der Abstimmung über ihn 72 Stunden liegen, Änderungsanträge im Plenum möglich und der Haushalt nicht mehr am Stück verabschiedet werden, sondern in Abstimmungen über zwölf Einzelpläne. All das schmälert die Macht des Sprechers weiter, steht aber schon lange auf der Wunschliste zahlreicher Republikaner. Auch einen neuen Untersuchungsausschuss gegen die Biden-Administration und Abstimmungen über konservative Prioritäten wie Anti-Abtreibungsinitiativen oder eine Amtszeitbegrenzung für Abgeordnete wird es geben. Doch angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Senat haben diese Gesetzesentwürfe keine Chance, den Kongress zu passieren.

Eine weitere Konzession hingegen könnte McCarthy noch großen Ärger machen. So verpflichtete er sich, die Staatsausgaben auf dem Niveau des Haushaltsjahrs 2022 einzufrieren. Allerdings wurden diese gerade erst erhöht – unter anderem, um die Militärhilfe an die Ukraine zu finanzieren und die Abschreckung gegen China zu stärken. Allein die Verteidigungsausgaben sind für das aktuelle Haushaltsjahr um 75 Milliarden Dollar gestiegen.

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Diese nun zurückzufahren, lehnt ein großer Teil des moderaten Flügels der Republikaner ab. Will McCarthy seine Zusage also einhalten, muss er sich mit diesem Teil seiner Fraktion anlegen oder das Geld an anderer Stelle suchen. Keine leichte Aufgabe – zumal nicht, wenn jederzeit ein Misstrauensantrag gegen ihn gestellt werden kann, wenn er es sich mit der falschen Gruppe verscherzt. Trotzdem: Für den Moment hat McCarthy es geschafft, er ist Speaker of the House geworden. Wie lange er es bleibt, ist eine andere Frage.

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