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Kim-Trump-Abkommen Der letzte Tiger in Ostasien

Kim Jong-un: Wird er Nordkorea nun ökonomisch öffnen? Quelle: dpa

Die Sicherheitsgarantie der USA für sein Regime könnte Kim motivieren, die ökonomische Öffnung Nordkoreas voranzutreiben. Die wichtigste Bedingung für erfolgreichen Kapitalismus ist dort vorhanden.

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Das Gipfeltreffen zwischen dem nordkoreanischen Diktator Kim Jong-un und dem amerikanischen Präsidenten Donald Trump sendet einige unmissverständliche Botschaften an die Welt. Die erste und wichtigste: Militärische Stärke, konkret: atomare Schlagfähigkeit, und der unbedingte Wille zur Macht sind Trumpf. Mit atomarem Drohpotenzial in der Hand kann selbst eine anachronistische Despotie wie das kommunistische Königtum der Kims die offizielle Anerkennung der Supermacht USA gewinnen.

Man reibt sich die Augen, wenn man die Bilder des Handschlags von Singapur und Trumps warme Worte über den „talentierten“ Kim gegen seine nur neun Monate alte Uno-Rede über den „Raketenmann auf einer Selbstmordmission“ stellt. In Teheran wird man das Schauspiel von Singapur und vor allem den Weg dahin aufmerksam beobachtet haben. Wenn man erst einmal die Bombe hat, ist offenbar manches möglich mit diesem Präsidenten, was Jahrzehnte lang illusorisch schien.

Gute Nachrichten für den Westen sind das also nicht unbedingt - auch wenn man sich natürlich zunächst über ein Abkommen mit dem Ziel der Denuklearisierung freuen muss. Denn die „liberale Weltordnung“ hat mit diesem Kim-Trump-Deal eine weitere Schwächung erfahren. Letztlich ist sie so gut wie tot. Trump schert sich nicht um ihre Werte (Menschenrechte waren kein Thema in Singapur) und Regeln (Unberechenbarkeit und Regelbruch sind seine Methode). Die offizielle Sicherheitsgarantie für Kims Regime ist auch ein Dokument des Abschieds vom traditionellen amerikanischen Ziel, die liberale Demokratie in der Welt zu verbreiten.

Chance auf mehr Marktwirtschaft

Was sich durch den Gipfel von Singapur allerdings ausbreiten dürfte, ist die kapitalistische Wirtschaftsweise. Nordkorea ist einer der letzten weißen Flecken auf der Weltkarte der wirtschaftlichen Globalisierung, der noch zu vereinnahmen ist. Es könnte der letzte Tigerstaat Ostasiens werden.

Kim fürchtete bislang vermutlich, dass seine Familiendespotie eine wirtschaftliche Öffnung nicht überstehen würde. Das dürfte das wichtigste Motiv dafür gewesen sein, dass die innere Vermarktlichung der nordkoreanischen Wirtschaft bislang immer wieder gebremst wurde. Lieber setzte die Kim-Diktatur auf Atombomben und nahm Sanktionen und weitgehenden Ausschluss von der Weltwirtschaft in Kauf. Kim wird sich in dieser Prioritätensetzung - erst Stärke, dann Wohlstand - durch den Erfolg von Singapur bestätigt fühlen.

Die Erklärung von Trump und Kim im Wortlaut

Dennoch sind die ersten protokapitalistischen Keime schon sichtbar: Ein großer Teil der landwirtschaftlichen Erzeugnisse wird bereits auf freien Märkten gehandelt, auch die Gastronomie ist de facto zum Teil in privater Hand. Dass vor allem Staatsbedienstete die noch bescheidenen Früchte ernten, ist nicht verwunderlich. Es entspricht vielmehr den Erfahrungen der Nachbarländer in der Frühphase kapitalistischer Wachstumsdynamik.

Starker Staat ist Bedingung, nicht Hindernis

Es ist gerade die Existenz eines gefestigten, mächtigen Staats als Garant von Ordnung, der die Erfolgsgeschichten der ostasiatischen Staaten zum Wohlstand von den Misserfolgsgeschichten in Afrika und im Nahen Osten unterscheidet. Kapitalismus entfaltet sich aller historischen Erfahrung nach – entgegen eines liberalen Vorurteils – nicht gegen, sondern nur mit dem Staat. Das galt schon für den Aufstieg Japans im 19. Jahrhundert:  Die Fähigkeit der damaligen japanischen Machtelite – ein paar Männer aus drei Adels-Clans – ihre Reformen gegen die Traditionalisten durchzusetzen, beruhte auf einem (auch gewaltsam) gefestigten Staatswesen, dessen Souveränität von den damaligen Großmächten anerkannt wurde. Auch die Chefs der frühen japanischen Großkonzerne (Zaibatsu) kamen oft aus diesen Clans. Was im Japan der Meiji-Epoche diese Clans waren, ist im gegenwärtigen China die kommunistische Partei.

Ob langfristig offene Märkte und Wohlstand auch zu einer Liberalisierung der Gesellschaft im westlichen Sinne und Demokratie führen, ist zweifelhaft. Dieser Zweifel dürfte für Kim und seine Herrscherclique seit Jahren handlungsleitend sein. Denn sein erstes Ziel ist nicht Wohlstand für sein Volk, sondern die Bewahrung der Herrschaft seiner Dynastie. Die amerikanische Sicherheitsgarantie dürfte vielleicht Kims Mut stärken, sein Land für die Marktwirtschaft nach innen und außen zu öffnen, ohne befürchten zu müssen, dass dadurch seine Familiendynastie gestürzt wird.

Wenn Kim sich durch Trumps Garantie sicher genug auf seinem Thron fühlt, könnte er nun geneigt sein, den Rat umzusetzen, der ihm aus Peking seit Jahren immer wieder zugerufen wird: Mach es wie wir!

Die Bilder des Nordkorea-Gipfels
Die Wagenkolonne des nordkoreanischen Machthabers Kim, angeführt von einer Polizeieskorte, auf dem Weg zur Insel Sentosa. Quelle: dpa
Kurz nach Trump erreichte auch Nordkoreas Machthaber das Hotel Capella. Quelle: dpa
Zum ersten Mal trafen sich mit Kim Jong Un und Donald Trump ein nordkoreanischer Machthaber und ein US-Präsident zum persönlichen Gespräch. Quelle: AP
Dort beantworteten sie Fragen der anwesenden Journalisten und gaben sich zwischendurch nochmals die Hand. Quelle: REUTERS
Kim und Trump beendeten nach 41 Minuten ihr Einzelgespräch, bei dem nur zwei Dolmetscher anwesend waren. Quelle: AP
Anschließend setzten Trump und Kim ihre Gespräche in größerer Runde fort. Quelle: dpa
Bei Trump und Kims Arbeitsessen wurden nach Angaben des US-Präsidialamts sowohl asiatische als auch westliche Gerichte serviert. Quelle: dpa

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