Kissinger-Preis Transatlantiker unter sich

Wolfgang Schäuble erhält den Henry-Kissinger-Preis und viel Lob für seine politischen Leistungen. Selbst sein ökonomischer Widersacher Larry Summers verneigt sich vor dem deutschen Kassenwart – nicht ganz ohne Spitze.

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Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) erhält in Berlin von Henry A. Kissinger den Henry A. Kissinger Preis, den die American Academy in Berlin verleiht. Quelle: dpa

Berlin Wenn ein ehemaliger amerikanischer Außenminister, ein Ex-US-Finanzminister und ein immer noch amtierender deutscher Finanzminister die deutsch-amerikanische Freundschaft beschwören, dann lässt sich das aktuelle transatlantische Zerwürfnis vielleicht doch noch reparieren.

Die American Academy in Berlin hatte eine kluge Wahl getroffen als sie sich entschied, den diesjährigen Henry-Kissinger-Preis an Wolfgang Schäuble zu vergeben. Wie nur wenige steht der deutsche Finanzminister für etwas, das Ex-US-Finanzminister Larry Summers „nationale Verantwortung“ nannte: Schäuble ist ein deutscher Europäer, der fest in der westlichen Wertgemeinschaft mit Amerika verankert ist. Früher nannte man solche Zeitfiguren „Transatlantiker“. Der Blick in das volle Festzelt im Garten der Academy am Wannsee zeigte, dass es davon auf beiden Seiten des Atlantiks noch eine ganze Menge gibt. Auch wenn man sich an diesem Abend noch mehr junge Gesichter gewünscht hätte.

„Amerika bleibt für uns eine unverzichtbare Nation“, sagte Schäuble in seiner Dankesrede. Aus diesen Worten  spricht nicht nur historische Erfahrung, sondern angesichts der aktuellen Spannungen auch ein gutes Stück Hoffnung. Hatte doch Kanzlerin Angela Merkel nach dem G8-Gipfel mit dem neuen US-Präsidenten Donald Trump angedeutet, dass man sich auf alte Verbündete nicht mehr unbedingt verlassen könne und Europa gut beraten sei, sein Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen.

Dass man die USA trotz Trump nicht abschreiben sollte, dafür warb auch der 94-jährige Henry Kissinger. Der ehemalige US-Außenminister erinnerte an die deutsche Wiedervereinigung, die es ohne die Unterstützung des damaligen US-Präsidenten George H.W. Bush nicht gegeben hätte. Aber Kissinger erinnerte eben auch an den „Atlantiker“ Helmut Kohl, der es wie nur wenige verstanden habe, die deutsch-amerikanische Freundschaft zu einer sehr „persönlichen“ Sache zu machen.

Es ging aber nicht nur nostalgisch zu an diesem Abend. Dafür sorgte vor allem der Laudator Larry Summers. Oft hat er mit Schäuble auf offener Bühne die Klingen gekreuzt und die Sparpolitik des deutschen Finanzministers als kurzsichtig und kontraproduktiv verdammt. Summers machte auch an diesem Abend keinen Hehl aus den Meinungsunterschieden. Der Harvard-Ökonom führte das unter anderem auf die unterschiedlichen ökonomischen Traditionen diesseits und jenseits des Atlantiks zurück. „Es gibt eben keine Übersetzung für deutsche Ordnungspolitik“, entgegnete später Schäuble mit einem Lächeln.

Die Welt könne viel vom modernen Deutschland lernen, wenn es die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen, die Ausbildung der Arbeitnehmer und die Qualität der Institutionen gehe, sagte Summers. Und mit Blick auf das 70-jährige Jubiläum des Marshall-Plans fügte er hinzu, dass der Erfolg „wirtschaftlicher Hilfe viel mehr von der Entschlossenheit und dem Selbsthilfewillen des Empfängers als von der Großzügigkeit des Gebers“ abhänge. Das war ein Satz ganz nach Wolfgang Schäubles Geschmack. Spricht daraus doch nicht nur die deutsche Erfahrung nach dem Zweiten Weltkrieg, sondern auch die Überzeugung Schäubles, dass die europäische Schuldenkrise vor allem durch Reformanstrengungen der Schuldner überwunden werden müsse.

Summers erinnerte den deutschen Finanzminister aber eben auch daran, dass nicht jede Nation wie Deutschland Exportweltmeister werden könne. „Gemeinsamer Wohlstand erfordert gegenseitige Anpassung“, mahnte der Amerikaner, der ähnlich wie Schäuble auf internationale Kooperation setzt und die von Trump proklamierte „America-First“-Politik für einen Irrweg hält. Vor einigen Wochen, so erzählte Summers, hätte Trumps Berater geschrieben, „dass die Welt keine globale Gemeinschaft sei, sondern eine Arena,  in der Nationen um Vorteil konkurrieren“.

„Wolfgang Schäuble hätte einen solchen Satz nie geschrieben“, betonte Summers – und der Angesprochene nickte mit leicht geneigtem Kopf. Ihm war in diesem Moment bewusst, dass in Summers Lob auch die Aufforderung an Deutschland und Europa steckte, in der Ära Trump die Fahne der globalen Kooperation hoch zu halten.

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