Klimadiplomatie Ohne Druck und Hilfe für schwächere Länder wird Klimaschutz scheitern

Die EU sollte Schwellenländer beim Klimaschutz unterstützen, zum Beispiel durch Ko-Finanzierung nationaler Klimafonds Quelle: dpa

Selbst wenn die Industriestaaten und China Emissionen auf null bringen, bliebe noch fast die Hälfte der weltweiten Klimagase – ausgestoßen von Schwellenländern. Europa muss diese dazu bringen, Emissionen zu drosseln. Gelingt dies nicht, sollte die EU ihre Billionen besser dazu nutzen, Bevölkerung und Wirtschaft auf einen ungebremsten Klimawandel vorbereiten, statt die eigenen Emissionen ein paar Jahre früher auf null zu bringen. Ein Gastbeitrag.

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Dr. Georg Zachmann ist Senior Fellow beim unabhängigen Brüsseler Think Tank Bruegel, wo er sich seit mehr als zehn Jahren mit europäischer Energie- und Klimapolitik beschäftigt. Rouven Stubbe und Lukas Feldhaus sind Physiker und Ökonomen und arbeiten als Energie-Analysten bei Berlin Economics.

Ohne eine kluge Kombination von Unterstützung und Druck für Transformations- und Schwellenländer werden die weltweiten Emissionen nicht schnell genug sinken. Weder Deutschland noch die Europäische Union allein werden das 2°C -Ziel erreichen. Scheitert die Klimadiplomatie,  wäre es wahrscheinlich sinnvoller, die begrenzten Mittel dafür einzusetzen, die eigene Bevölkerung und Wirtschaft auf einen ungebremsten Klimawandel vorzubereiten, anstatt viele Ressourcen – schon in diesem Jahrzehnt soll mindestens eine Billion Euro für Klimainvestitionen mobilisiert werden – dafür aufzuwenden die eigenen Emissionen ein paar Jahre früher auf null zu bringen.

Die bisherigen Diplomatiebemühungen mit dem Pariser Abkommen und der dazugehörigen Kongressdiplomatie bilden einen wichtigen Rahmen für globale Klimaschutzbemühungen. Die derzeit nur schwachen Ergebnisse der Verhandlungen zeigen aber: Die Klimagipfel müssen um eine effektive Kombination aus Unterstützung und Druck für finanziell und institutionell schwächere Länder ergänzt werden.

Europas riskante Wette

Der European Green Deal ist eine Wette darauf, dass die Welt zusammenkommt und die Erderwärmung gemeinsam unter 2°C hält. Wenn sie aufgeht, kann Europa seinen Teil dazu beitragen die weltweit immer zahlreicheren Fluten, Dürren und Waldbrände zumindest einigermaßen in Grenzen zu halten. Zudem könnte die EU durch frühzeitige Investitionen Weltmarktführer in einer Vielzahl von emissionsarmen Technologien werden, wie etwa Batterien und Speichern, erneuerbaren Energien, klimaneutralem Bauen, emissionsfreier Mobilität, grüner Chemie und nachhaltiger Stahlproduktion. Wenn die Wette allerdings nicht aufgeht, hat Europa Billionen in die Entwicklung teurer Technologien investiert, die dann womöglich für die Finanzierung der Anpassung an einen sich selbst beschleunigenden Klimawandel und zunehmende Wetterextreme fehlen.

Derzeit stehen die Chancen für die EU, ihre Wette zu gewinnen, noch nicht besonders gut. Denn der EU-Anteil an den globalen Treibhausgasemissionen beträgt weniger als zehn Prozent. Selbst wenn die gesamte OECD (ein Klub reicher Länder) und China ihre heutigen Emissionen auf null reduzieren, so bleiben immer noch fast die Hälfte der weltweiten Klimagase übrig, die in Transformations- und Schwellenländern entstehen und auch dort eingespart werden müssen.

Schwellenländer im Energie-Dilemma

Das wird schwierig, denn diese Länder sind in einem Energiedilemma: ihre wachsende und teilweise auch zahlungskräftiger werdende Bevölkerung verbraucht immer mehr Energie, die aber größtenteils mit emissionsintensiven Kraftwerken erzeugt wird. Gleichzeitig weisen sie oft hohe Korruption und geringe Rechtssicherheit auf, was Investitionen in kapitalintensive langlebige Energieinfrastruktur enorm teuer macht. Zudem haben viele der Länder kurzfristig drängendere Probleme wie Armut oder politische Spannungen, welche die Vermeidung von Emissionen zweitrangig erscheinen lassen.

Um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass Europa seine Wette gewinnt und der European Green Deal weltweit nachvollzogen wird, muss die EU daher international Verantwortung übernehmen. Mit anderen Worten – Deutschland und die EU brauchen dringend eine ambitioniertere und strategisch ausgerichtete Klimadiplomatie, die der Größe der Herausforderungen gerecht wird.

Mit Ukraine, Moldau, und Georgien beginnen

Der ideale Startpunkt für die Entwicklung und den Test einer solchen Diplomatieoffensive wäre die Nachbarschaft. So bietet sich z.B. das Trio der EU-Assoziierungsländer Ukraine, Moldau, und Georgien als Partner für eine neue europäische Klimadiplomatie an. Zwar stehen diese drei Länder vor den bereits genannten strukturellen Herausforderungen. Jedoch sind sie auch wirtschaftlich, institutionell und politisch bereits eng mit der EU verbunden, was Brüssel besonderen Einfluss verleiht. Gerade im Bereich der Energiepolitik gleichen sich die Maßnahmen der EU und des Trios durch die sogenannte „Energiegemeinschaft“ immer mehr an. Wenn ein Engagement der EU hier nicht von Erfolg gekrönt ist, wird es schwerlich mit ferneren Partnern umzusetzen sein. Auf der anderen Seite könnte eine erfolgreiche Partnerschaft mit den Trio-Ländern eine Blaupause für weiteres EU-Engagement werden und als Signal für andere Länder im besten Fall eine sich selbst verstärkende Dynamik in Gang bringen.

Unterstützung nur bei Klimaschutzanstrengungen

Eine erfolgsversprechende bilaterale Klima-Diplomatieoffensive könnte auf drei Ebenen ansetzen:

1.      Als Grundlage sollte in den Partnerländern das Bewusstsein der Bevölkerung geschärft werden, dass der Klimawandel einerseits eine Bedrohung für den zukünftigen Wohlstand des Landes und andererseits teilweise vermeidbar ist. Auch sollte Europa helfen, die Wissensbasis bezüglich effizienter Klimaschutzmaßnahmen zu verbreitern.

2.      Die EU sollte ihre finanzielle, technische und politische Unterstützung deutlich klarer an effektive Klimaschutzanstrengungen im Partnerland binden. Alle Partner sollten dabei an die gleichen Bedingungen gebunden sein. Eine starke und klar verständliche Verpflichtung der Partnerländer zu einer zielstrebigen Klimapolitik könnte über die Finanzierung der Unterstützung funktionieren: So könnte die Kofinanzierung etwaiger Projekte durch nationale Klimafonds erfolgen, die die Partnerländer in bilateraler Partnerschaft mit der EU aufbauen und verwalten. Solche Fonds würden den entscheidenden Zugang zu Kapital für Dekarbonisierungs-Investitionen in den Partnerländern deutlich vereinfachen. Allerdings sollten EU-Gelder in diese nationalen Klimafonds nur ergänzend zu Einnahmen aus einer CO2-Bepreisung des Partnerlandes fließen und an ambitionierte nationale Klimaziele gebunden sein. Dies würde die Einspar-Absichten des Landes bescheinigen. Insbesondere wären die Partnerländer so motiviert, höhere nationale CO2-Preise einzuführen.

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3. Für jedes Partnerland sollten individuelle und unterschiedliche Projekte möglich sein. Denn natürlich haben die Länder unterschiedliche Prioritäten – so spielt beispielsweise die Stahlindustrie in der Ukraine eine herausgehobene Rolle, während in Georgien der Stromsektor aufgrund des hohen Wasserkraftanteils schon sehr emissionsarm ist. Individuelle Umstände erfordern individuelle Lösungen.

Teures Scheitern droht

Derzeit arbeitet die europäische Kommission an einer neuen Strategie für ihre internationalen Energie- und Klimabemühungen. Deutschland sollte sich dafür einsetzen, diese so anspruchsvoll und ehrgeizig wie möglich zu gestalten. Ansonsten wird die Wette – mithilfe einer grünen Wirtschaft gleichzeitig Klimarisiken zu reduzieren und neue Märkte zu entwickeln – teuer scheitern.

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