
Durban Ein Scheitern des Klimagipfels in Durban könnte die Wirtschaft um Milliardenumsätze bringen. Denn erst verbindliche Vorgaben für strengen Klimaschutz bilden die Basis für Investitionen in Umweltschutztechnologie. Ohne brauchbares Ergebnis in Durban wächst dagegen die Investitionszurückhaltung. In der Wirtschaft mehren sich die Stimmen, die nach Alternativen zum Uno-Verhandlungsprozess suchen.
„Die Wirtschaft braucht klare und verlässliche Regeln. Es ergeben sich milliardenschwere Geschäftsperspektiven, wenn die internationale Staatengemeinschaft die Weichen richtig stellt“, sagte Jean-Guy Carrier, Generalsekretär der Internationalen Handelskammer (ICC), dem Handelsblatt. Wenn die internationale Staatengemeinschaft sich dagegen gar nicht erst festlege, müssten Unternehmen auf Geschäftspotenzial verzichten.
„Das betrifft insbesondere innovative Unternehmen, die sich im Bereich der Umwelttechnik bewegen“, so der Generalsekretär. Die Internationale Handelskammer versteht sich als branchenübergreifende Vertretung der Weltwirtschaft gegenüber internationalen Institutionen. Mitglieder sind Industrie- und Handelskammern, aber auch Unternehmen.
Ein Ergebnis in Durban, das den Vorstellungen der Wirtschaft gerecht werden könnte, erscheint derzeit aber unwahrscheinlich. Noch zu Wochenbeginn hatte es für einen Moment so ausgesehen, als würde China einen Kurswechsel vollziehen und sich auf ein Abkommen mit verbindlichen Emissionsreduktionszielen einlassen wollen. Mittlerweile wird der Vorstoß aber anders gedeutet. China habe sich lediglich bereit erklärt, die verpflichtenden Zusagen anderer Länder anzuerkennen, sagte Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) in Durban. Das sei „kein Fortschritt, keine Bewegung“ und habe keinen Neuigkeitswert. Entscheidend sei nun, dass China sich auch bereit erkläre, selbst Verpflichtungen einzugehen. Erst dann bestehe die Chance, in Durban zu einem „akzeptablen Ergebnis“ zu kommen.
Das ursprüngliche Ziel des Gipfels, ein Folgeabkommen für das Ende 2012 auslaufende Kyoto-Protokoll zu erzielen, gilt längst als unerreichbar. Große Emittenten wie Kanada, Japan und Russland, die sich mit dem Kyoto-Protokoll verbindlich zu Emissionsreduktionen bekannt hatten, haben bereits lange vor der Durban-Konferenz erklärt, dass sie bei einem Folgeabkommen nicht dabei sein wollen. Unter dem Dach von Kyoto bleiben daher nur noch 15 Prozent der weltweiten Emissionen vereint. Das sei unzureichend, sagte Röttgen. Ersatzweise müssten sich daher nun möglichst viele Staaten, darunter die USA und große Schwellenländer, dazu bekennen, sich später auf bestimmte Reduktionsziele festzulegen. „Wir brauchen mehr Geschwindigkeit, mehr Verpflichtung und mehr Beteiligung, wenn wir die Lücke zur Einhaltung des Zwei-Grad-Ziels noch schließen wollen“, sagte Röttgen.
Ziel der Klimaschutzpolitik ist es, die Erderwärmung gegenüber vorindustrieller Zeit unter zwei Grad zu halten.
Deutsche Unternehmen profitieren von „grünen Geschäften“
ICC-Generalsekretär Carrier nennt den Uno-Verhandlungsprozess „frustrierend langsam“. Er denkt daher bereits an einen Plan B: Wenn es auf Uno-Ebene nicht weitergehe, müsse eine Koalition der Willigen vorangehen und dem Rest der Welt zeigen, dass sich Wirtschaftswachstum und Klimaschutz miteinander vereinbaren ließen.
„Uns geht es nicht um die perfekte Lösung, sondern um eine Lösung, die funktioniert“, sagte Carrier. Der Kampf gegen den Klimawandel sei zu wichtig, um ihn immer wieder aufzuschieben. Es gehe „um nichts weniger als um ein neues Geschäftsmodell für den ganzen Planeten“.
Gerade für deutsche Unternehmen ist der Ausgang der Klima-Verhandlungen in Durban von großer Bedeutung. Sie sind in vielen Bereichen der Umwelttechnik Weltmarktführer. Einer Studie der Unternehmensberatung Roland Berger zufolge könnte die Umwelttechnik-Branche schon in wenigen Jahren deutsche Schlüsselbranchen wie die Automobilindustrie oder den Maschinenbau an Bedeutung überholen. Ambitionierter weltweiter Klimaschutz würde die Geschäfte mit der „grünen Industrie“ weiter beflügeln.
„Die Verhandler hier in Durban müssen Klimaschutz endlich als eine Chance begreifen und nicht als Wachstumsrisiko“, sagte Sören Buttkereit, bei Siemens verantwortlich für das Thema Nachhaltigkeit. Der Siemens-Konzern hat die grüne Technologie zu einem Schwerpunkt seiner Aktivitäten erkoren und erzielt in diesem Bereich weltweit Erfolge.
Die von Carrier angeregte Koalition der Willigen, die sich außerhalb des Uno-Verhandlungsprozesses zusammenfindet, nimmt in den Köpfen von Unternehmensstrategen bereits Gestalt an. So plädiert auch Torsten Jeworrek, der für die Rückversicherung zuständige Vorstand bei Munich Re, dafür, dass eine kleine Gruppe von Ländern im Klimaschutz die Vorhut bildet und sich dabei auf die Förderung der erneuerbaren Energien konzentriert.
Er ist davon überzeugt, dass sich die Strategie lohnt: „Der Umbau der Energieversorgung von den fossilen zu erneuerbaren Trägern ist die zentrale Aufgabe dieses Jahrhunderts. Damit verbunden sind erhebliche Chancen“, sagt Jeworrek. Das „Menschheitsproblem Erderwärmung“ scheine im Rahmen des von den Vereinten Nationen organisierten Prozesses nicht lösbar. Die große Herausforderung werde nur zu meistern sein, wenn eine Kerngruppe von Ländern vorangehe.