Klimaschutzindex Germanwatch Der weite Weg zum Klimaschutzchampion

Wer tut am meisten für den Klimaschutz, wer am wenigsten? Die Umweltorganisation Germanwatch hat jetzt eine Rangliste vorgelegt. Der ehemalige Klimavorreiter Deutschland glänzt nicht gerade als Klassenbester.

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China landet bei einem relativ hohen Emissionsniveau und wachsendem Primärenergieverbrauch nur auf Platz 41. Quelle: dpa

Bonn Eine Klimaschutzorganisation erstellt eine Rangliste der Länder, die am meisten und am wenigsten für den Klimaschutz tun – und die ersten drei Plätze bleiben frei. Kein Land unternimmt bislang genug, um die globale Temperatur deutlich unter zwei Grad zu halten, ist die nüchterne Begründung der Umweltorganisation Germanwatch. Auch Deutschland schafft es nicht auf einen der vorderen Ränge.

Der Klimaschutzindex (KSI) von Germanwatch zeigt zwar eine positive Entwicklung bei Energiesystemen, Energieeffizienz und in manchen Staaten sogar bei den Emissionen. Allerdings wird deutlich, dass die Ziele der Länder und ihre Umsetzung insgesamt noch zu schwach sind, um den Temperaturanstieg auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen, wie es das erst vor zwei Jahren in Paris verabschiedete internationale Klimaabkommen vorsieht. „Die globale Energiewende nimmt Fahrt auf – doch kein Land ist schnell genug“, heißt es in der Studie, die am heutigen Mittwoch auf der Klimakonferenz in Bonn vorgestellt wurde.

Für den Klimaschutz-Index hat Germanwatch zusammen mit dem NewClimate Institute und Climate Action Network knapp 60 Länder mit dem größten Kohlendioxidausstoß betrachtet. Der Index soll mehr Transparenz in die internationale Klimapolitik bringen und wird seit 2006 erstellt. Insgesamt haben mehr als 300 Energie- und Klimaexperten an dieser Studie mitgearbeitet.

„Insgesamt ist der Unterschied zwischen Anspruch und Wirklichkeit bei den mittel- und langfristigen Klimaschutzzielen der untersuchten Länder immer noch zu groß“, sagte Niklas Höhne vom NewClimate Institute und Co-Autor der Studie. Mit relativ guten Entwicklungen im Ausbau erneuerbarer Energien und bei Pro-Kopf-Emissionen landet Schweden auf Platz vier im Ranking, gefolgt von Litauen und Marokko, beide stark beim Ausbau erneuerbarer Energien, sowie Norwegen. Mit noch immer vergleichsweise niedrigen Werten bei Emissionen und Primärenergienutzung pro Kopf kommt Indien auf Rang 14, China dagegen landet bei einem relativ hohen Emissionsniveau und wachsendem Primärenergieverbrauch nur auf Platz 41.

Die USA sind im freien Fall und erreichen wegen der Ankündigung von US-Präsident Donald Trump, aus dem Pariser Klimaabkommen auszusteigen und der Abkehr von einigen zentralen Klimagesetzgebungen der Vorgängerregierung, nur Platz 56. Auch das Emissionsniveau und der Primärenergieverbrauch sind zu hoch für einen deutlich unter zwei Grad liegenden Pfad. Die letzten drei Plätze gehen an Korea, Iran und Saudi-Arabien.

Deutschland erreicht Platz 22 und hätte, so die Meinung der Autoren, mit Blick auf die internationale Klimapolitik der Bundesregierung deutlich besser abschneiden können. „Deutschlands mittel- und langfristigen Ziele – verankert im Klimaschutzplan 2050 – sind vergleichsweise stark“, kommentierte Germanwatch-Experte und Co-Autor Jan Burck. „Die CO2-Emissionen in Deutschland zeigen aber bislang ein anderes Bild und wurden seit 2009 nicht mehr gesenkt.“ Die noch amtierende Bundesregierung habe es verpasst, ernsthafte Maßnahmen zur Umsetzung der Klimaziele zu ergreifen.

Es sei unumgänglich, dass im kommenden Koalitionsvertrag die notwendigen Maßnahmen für schnell wirksamen Klimaschutz durch einen Kohleausstiegsplan und eine echte Verkehrswende verankert werden, meinte Burck. „Nur dann schafft es Deutschland vom Ankündigungs- und Braunkohle-Weltmeister zum echten Klimaschutzchampion.“ Zusammen mit dem BUND, der Deutschen Umwelthilfe, dem Naturschutzbund Deutschland und dem WWF warnte auch Greenpeace vor einem „klimapolitischen Totalausfall der Jamaika-Sondierer“. Es bestehe eine Kluft „zwischen Sonntagsreden und klimapolitischer Realität bei den Sondierungen sowie in der Regierungspolitik“.

Aber es sind nicht nur Umweltschutzverbände, die von Merkel die Ankündigung konkreter Schritte erwarten. Der Sprecher des UN-Klimasekretariats, Nick Nuttall, hatte am Dienstag erklärt: „Viele Teilnehmer hier fragen sich, hat Deutschland einen Plan für die Kohle und wird es einen Plan geben, damit Deutschland seine Klimaziele noch erreichen kann?“ Merkel spricht am Mittwoch vor den Delegierten der Weltklimakonferenz in Bonn. Die Erwartungen sind hoch. Greenpeace-Geschäftsführerin Sweelin Heuss sagte: „Die Konferenz erwartet heute ein starkes Zeichen der Kanzlerin, dass Deutschland seine Zusagen im Klimaschutz einhält. Angela Merkel kann nicht länger nur über Klimaschutz reden, sie muss etwas dafür tun – das geht nur mit einem Kohleausstieg.“

Von Mittwoch an wird bei der Klimakonferenz auf Ministerebene verhandelt. Ein Ziel haben die Delegierten bereits erreicht: Sie haben Texte für ein Regelwerk zur Umsetzung des Pariser Abkommens erstellt. Diese sollen bei der nächsten Weltklimakonferenz 2018 im polnischen Kattowitz beschlossen werden.

Die Autoren der Studie hoffen, dass die Staaten sich auch an diesen Plan halten. Sie sehen eine starke Zustimmung zu den allgemeinen Zielen des Pariser Abkommens auf internationaler Ebene. Die internationale Gemeinschaft müsste nun schnell Maßnahmen ergreifen und ihren Versprechungen Taten folgen lassen.

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