Erinnert sich noch jemand? Die öffentliche Empörung in der westlichen Welt und vor allem in Deutschland war gewaltig, als der amerikanische Präsident ein Einreiseverbot gegen Menschen aus einigen islamisch geprägten und von Staatsverfall und Terror zerrütteten Ländern erlies, das sofort von Bundesrichtern gestoppt wurde. Die Bundeskanzlerin zeigte sich „überzeugt, dass auch der notwendige entschlossene Kampf gegen den Terrorismus es nicht rechtfertigt, Menschen einer bestimmten Herkunft oder eines bestimmten Glaubens unter Generalverdacht zu stellen". Martin Schulz sah Trump „mit der Abrissbirne durch unsere Grundwerteordnung“ laufen.
Und die Journalisten waren zu 99 Prozent ebenso empört.
Seltsamerweise ist von solcher Empörung gegen Saudi-Arabien und seine Vasallen-Staaten nun nicht viel zu lesen. Obwohl der Bann gegen den Nachbarstaat Katar radikaler ist, als alles, was Trump vorhatte: Nicht nur darf von dort keine Person mehr in die Nachbarstaaten reisen, auch der Warenverkehr ist völlig gekappt, nicht mal katarische Flugzeuge dürfen über saudischen Boden fliegen. Mit einem Generalverdacht hat man in Riad also keine Gewissensprobleme.
Das ist Katar
Das Emirat Katar im Osten der arabischen Halbinsel ist geografisch zwar nur etwa halb so groß wie Hessen, gewinnt international aber sowohl politisch als auch wirtschaftlich immer mehr an Bedeutung. Große Vorkommen an Erdöl und Erdgas machten Katar zu einem der reichsten Länder der Erde. Das Land ist 2022 Gastgeber der Fußballweltmeisterschaft.
Quelle: dpa
Rund 2,2 Millionen Menschen leben in Katar, von denen der Großteil aus dem Ausland kommt und als Gastarbeiter beschäftigt ist.
Das Land hat zahlreiche Beteiligungen an europäischen Unternehmen, darunter etwa Anteile am VW-Konzern und an der Baufirma Hochtief. Der arabische Nachrichtensender al-Dschasira hat seinen Sitz in Katar. Katar ist Mitglied der Organisation erdölexportierender Länder (Opec) und hat unter anderem zusammen mit Saudi-Arabien, Bahrain und den Vereinigten Arabischen Emiraten den Golfkooperationsrat mitgegründet, der eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik in der Region als Ziel hat. Südlich der Hauptstadt Doha befindet sich der größte Stützpunkt der US-Armee in der arabischen Welt.
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International kritisiert Katar für die Ausbeutung von Gastarbeitern und eingeschränkte Meinungsfreiheit.
Für Sigmar Gabriel ist klar, wer die Schuld trägt. Nicht der saudische König Salman ibn Abd al-Aziz (laut Wikipedia der 32. von über 50 Söhnen des 300-fach verheirateten Reichsgründers Abd al-Aziz ibn Saud) oder Kronprinz Mohammed, sondern: Trump. „Eine solche Trumpisierung des Umgangs miteinander ist in einer ohnehin krisengeschüttelten Region ganz besonders gefährlich", sagte Gabriel. Als ob die Saudis erst durch Trump zu Übeltätern geworden wären! Ansonsten sind aus Berlin und anderen westlichen Staaten nur neutrale und samtweich formulierte Aufrufe zum Dialog zu vernehmen.
Keine Frage, Trump hat der Saudi-Dynastie grünes Licht gegeben für den feindlichen Akt gegen die Nachbarn. Es ist die vielleicht bislang gefährlichste und dümmste Tat des Präsidenten. Er scheint zu glauben, was die Saudis und ihre Vasallen in Bahrain und den Emiraten öffentlich zu ihrer Rechtfertigung behaupten: dass Katar den Terrorismus fördere. Zumindest behauptet Trump, dass er das glaubt.
Dabei ist der Terror-Vorwurf aus Riad gegen Katar reinster Zynismus. Es ist längst Allgemeinwissen in- und außerhalb der Geheimdienste, dass aus Saudi-Arabien vermutlich noch mehr Geld in die Kassen islamistischer Terroristen fließt als aus Katar. Saudi-Arabien ist die wohl wichtigste Keimzelle des islamistischen Terrorismus. Der Wahhabismus des Herrscherhauses in Riad ist um keinen Deut humaner oder gemäßigter als die Ideologie ihrer Erzfeinde, der Muslimbrüder.
Der zweite Feind, dem die ganze politische Leidenschaft der Saudis gilt, sind die Schiiten, weil diese glauben, dass Mohammeds Schwiegersohn Ali dessen legitimer Nachfolger gewesen sei und nicht Abu Bakr - im 7. Jahrhundert! Katar, dessen Herrscherfamilie al-Thani nicht weniger anachronistisch ist als die der Saudis, hat immerhin versucht, mit dem schiitischen Iran halbwegs gedeihliche Beziehungen zu pflegen. Das allein ist der Grund für die Strafaktion der Saudis .