Kolumbien Investors Darling

Seit Kolumbien nicht mehr Zentrum des Drogenkriegs ist, ziehen die Investoren in Scharen ins Land. Rohstoffreichtum und politische Stabilität locken. Doch die Zweifel mehren sich, ob die Ruhe hält. Immer noch werden Menschen verschleppt.

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Kolumbien Medellin Quelle: Laif/Contrasto

Es sind nur vier Metallkästen, doch so deutlich wie sie im Kontrast zu ihrer Umgebung stehen, so beklemmend ist ihre Botschaft: Der Friede ist nur auf Bewährung, echte Sicherheit gibt es nicht.

Bogotá, Kolumbien. Im Viertel Chico Reservado im Norden der Hauptstadt ziehen die letzten Sonnenstrahlen vor Beginn der Regenzeit die Menschen nach draußen. Der „Parque del 93“ an der 93. Straße steht für ein verändertes Land. Rundherum ist er von weithin duftenden Cafés und Restaurants gesäumt, Familien und Jugendliche sitzen im Gras unter jungen Bäumen, die geschwätzige Friedlichkeit macht dösig. Wo sich noch vor wenigen Jahren kaum einer für längere Zeit aus dem Haus traute, klingt und riecht es heute nach europäischer Sonntagsruhe. Am Rand des Parks befindet sich ein Spielplatz mit ein paar Schaukeln, Wippen, einem Sandkasten und in der Mitte einem hölzernen Kletterturm mit Rutsche. Doch auf der Spitze des Turms, unübersehbar: vier Überwachungskameras, eine für jede Himmelsrichtung. Allein im laufenden Jahr wurden bereits mehr als 600 Kolumbianer von Drogenbanden und Guerillas verschleppt.

Hohe Militärausgaben

Nach wie vor ist nichts normal in Kolumbien, doch im Vergleich zu vergangenen Zeiten ist vieles anders. Während vor zehn Jahren Rebellen der FARC mehr als ein Drittel des Landes kontrollierten, rühmt sich die konservative Regierung von Präsident Juan Manuel Santos heute, innerhalb weniger Stunden selbst im tiefsten Dschungel genug Soldaten aufbieten zu können, um Rebellenangriffe zurückzuschlagen. Ohne selbst in einen Krieg verwickelt zu sein, ist Kolumbien hinter den USA und Israel weltweit das Land mit dem drittgrößten Anteil der Militärausgaben. Der Lohn: Die Zahl der Morde und Entführungen hat sich in den vergangenen zehn Jahren landesweit halbiert. Gab es 2001 in der Drogenhauptstadt Medellin mehr als 300 Morde pro 100  000 Einwohner, sind es heute weniger als 60. Das arme Stadtviertel Santo Domingo, in dem einst mehr Menschen ermordet wurden als in ganz Deutschland, ist heute mit einer Seilbahn an die städtische Metro angebunden und lebt von Touristen, die von hier den Ausblick über die Metropole bestaunen. Gerade hat der Computerkonzern Hewlett-Packard begonnen, eines seiner zwei weltweiten Servicecenter in Medellin zu errichten, viele Hundert hoch qualifizierte Angestellte werden bald ihre Arbeit aufnehmen.

Attraktiv für Investoren

Seit das bevölkerungsmäßig zweitgrößte Land Südamerikas 2010 von der Ratingagentur Standard & Poor’s den „Investment Grade“ (BBB-) verliehen bekommen hat, „setzt sich unter Investoren die Einsicht durch, dass ein Großteil der Vorurteile gegen Kolumbien nicht mehr stimmen“, sagt Dieter Voigt, Leiter der deutschen Außenhandelskammer in Bogotá. Entsprechend lagen die ausländischen Direktinvestitionen mit mehr als neun Milliarden Dollar im ersten Halbjahr 2011 knapp 60 Prozent über Vorjahr, die Summe der Exporte erreichte 27 Milliarden Dollar, fast 40 Prozent mehr als zwischen Januar und Juni 2010. Trotz Wirtschaftskrisen verbuchte das Land im vergangenen Jahrzehnt ein Wachstum des BIP.

Für Investoren sind es vor allem zwei Argumente, die das Land attraktiv machen: Rohstoffreichtum und politische Stabilität. Kolumbien ist nicht nur die älteste Demokratie des Kontinents, sondern auch das einzige Land in der Region, das in seiner Geschichte ohne staatliche Bankrotterklärung ausgekommen ist. Die zentrale Lage zwischen Süd- und Mittelamerika und der Zugang zu zwei Ozeanen macht es zudem zum attraktiven Produktionsstandort. 2009 eröffnete Siemens in Bogotá ein Werk, von dem aus der gesamte amerikanische Markt mit Transformatoren beliefert wird.

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