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Kommentar Europa muss sich für Chinas Investoren öffnen

Die EU-Staaten sind mehr denn je auf chinesisches Geld angewiesen. Eine Partnerschaft wäre sinnvoll. Noch können wir entscheiden, ob wir China als Partner akzeptieren oder zum Wettbewerber machen.

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Eine Ein-Euro-Geldmünze wird von zwei chinesischen Essstäbchen gehalten. Quelle: dpa

Wer Partner hat wie den griechischen Präsidenten Giorgos Papandreou, der braucht Wettbewerber wie die Chinesen nicht zu fürchten. Nun, da der Rettungsschirm im Zuge der griechischen Volksbefragung wie ein Kartenhaus zusammenzufallen droht, benötigt Europa noch dringender chinesisches Geld.

Dennoch sollten wir uns die Zeit nehmen, aus den Fehlern der Amerikaner zu lernen. Sie haben es den Chinesen in den 2000er-Jahren zu leicht gemacht, US-Staatsanleihen zu kaufen. Gleichzeitig legten sie chinesischen Unternehmen Steine in den Weg, die in amerikanische Firmen investieren wollten. Das war falsch. Nun ist China der größte Gläubiger der Amerikaner und kann drohen, US-Bonds auf den Markt zu werfen oder zumindest weniger davon neu zu kaufen. Die Abhängigkeit der USA von China ist heute größer, als sie hätte sein müssen.

Noch können wir es besser machen. Wir Europäer sollten die Chinesen einladen, in europäische Unternehmen zu investieren, vor allem auch in Staatsunternehmen. Da kennen sie sich ja aus. Die Gründe liegen auf der Hand: Unternehmensanteile lassen sich in einer Krise nicht so leicht verkaufen. Solche Beteiligungen erhöhen das Interesse Chinas an einer stabilen Entwicklung in den Partnerländern. Je enger der Westen seine Wirtschaftssysteme mit China verzahnt, desto unwahrscheinlicher werden große Konfrontationen.

Als Investoren müssten die chinesischen Manager in Europa zudem lernen, sich in einem Umfeld zu bewähren, in dem andere die Spielregeln bestimmen. Dies führt bestenfalls sogar dazu, dass sie europäische Firmen in China nicht mehr so herumschubsen.


Peking will vor allem die Anerkennung als Marktwirtschaft

Aber ist es klug, jetzt auch noch unser Tafelsilber anzubieten? Wir sollten es nicht verkaufen, sondern wertvoller machen, indem wir uns gute Partner suchen, die uns helfen, noch erfolgreicher zu werden. Wir müssen ja nicht immer gleich die Mehrheit abgeben. Und chinesische Investitionen bedeuten auch nicht unbedingt, dass mehr Arbeitsplätze nach China verlagert werden. Die Chinesen wollen ja in Europa expandieren. Wir sollten also chinesische Unternehmen mit offenen Armen empfangen, auch, wenn es uns schwerfällt. Dabei dürfen wir allerdings nicht die Augen vor den nüchternen chinesischen Interessen verschließen. Not macht nämlich nicht nur erfinderisch, sondern auch blind.

China will nicht mehr von uns belehrt werden. Und es will als aufsteigende Weltmacht seinen politischen Einfluss ausbauen, auch in Europa. Wir sollten also nicht auf selbstlose, globale Nachbarschaftshilfe hoffen. Vor allem will Peking die Anerkennung als Marktwirtschaft. Damit wäre das Land bei Handelsstreitigkeiten weniger angreifbar.
Allein vergangenes Jahr wurden sechs Anti-Dumping-Verfahren gegen chinesische Importe angestrengt, darunter Edelstahl, Schuhe und Reißverschlüsse. In dieser Frage sollten wir gesprächsbereit sein. Unsere Argumente erscheinen angesichts der aktuellen Entwicklungen zunehmend grotesk. Noch im Jahr 2009 beklagte ein führender China-Experte der Welthandelsorganisation WTO allen Ernstes, das 500-Milliarden-US-Dollar-Konjunkturprogramm der chinesischen Regierung und die Unterstützung von zehn Schlüsselindustrien sei ein Problem für eine Anerkennung der Marktwirtschaft. Aus der EU ist bis heute zu hören, Chinas Entwicklung von der Plan- zur Marktwirtschaft sei zu langsam. Der Übergang von der Markt- zur Planwirtschaft in Europa verlaufe hingegen zügiger, konterte ein Vertreter des chinesischen Handelsministeriums Anfang dieser Woche.


Für China sind Unternehmen interessanter als Staatsanleihen

Der überraschende Alleingang Papandreous nährt in China erneut Zweifel, ob das zerstrittene Europa überhaupt in der Lage ist, sich zu einigen. Nun ist es wieder offen, ob sich in der chinesischen Führung die Risikofreudigen oder die Vorsichtigen durchsetzen werden. Erstere wollen mit den Finanzhilfen noch warten, bis sich die Krise weiter verschärft und sie günstiger einsteigen können. Die Vorsichtigen wollen Europa stützen, bevor die Krise größere Euro-Länder wie Italien oder gar Frankreich vollends erfasst und die Nachfrage nach chinesischen Produkten dramatisch einbricht. Generell gilt aber in Peking: Unternehmen sind interessanter als Staatsanleihen.

Daran ändert auch nichts, dass sich Beteiligungen des chinesischen Staatsfonds CIC bei Morgan Stanley und Blackstone kurz vor der Finanzkrise 2008 als Flop herausgestellt haben. Die Spitzenmanager des Fonds wurden nicht zum Ernteeinsatz in die Provinz versetzt. Sondern die Führung ließ sie im Amt. Sie durften aus Schaden klug werden. Inzwischen setzen sie auf produzierende Unternehmen oder Dienstleister, die vom Handel leben, statt auf Finanzhäuser, die spekulieren, statt zu investieren. Insofern richtet sich ihr Blick nun stärker in Richtung Europa. Noch können wir entscheiden, ob wir China als Partner akzeptieren oder zu einem Wettbewerber machen, der mit harten Bandagen kämpft. Zusammen sind wir stärker. Aber viel Zeit, uns dafür zu entscheiden, haben wir nicht mehr.

Der Bestsellerautor ("Angst vor China") gilt als einer der führenden Chinakenner. Sie erreichen ihn unter: sieren@handelsblatt.com

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