
Der Fehler der Ratingagentur ist mehr als ein ärgerlicher Patzer. Standard & Poor's gehört zu den Ratinagenturen, deren Urteil für Investoren lebenswichtig ist. Wenn aus diesem Haus die Kunde nach außen dringt, dass ein Kernland der Eurozone als dauerhaft weniger kreditwürdig gilt, halten die Märkte den Atem an. Es ist so, als würde der Zünder einer Atombombe scharf gestellt. Wenn dann einer "Entwarnung - war ein Versehen!" ruft, ist es damit nicht getan. Der fatale Fehler muss vielmehr dazu führen, dass endlich die Macht der Ratingagenturen beschnitten wird.
Es ist doch so: Wer auch immer Geld anlegen will, steckt spätestens seit der Finanzkrise in einem Dilemma. Es gibt für große Unternehmen, für Finanzprodukte und für Länder genau drei Ratingagenturen, die die Bonität der Schuldner prüfen. Diese drei Agenturen haben komplett versagt, als es darum ging, heikle Finanzprodukte richtig zu bewerten. Sie haben damit die Krise zwar nicht verursacht, sind aber ihrer Rolle als entscheidender Notengeber nicht gerecht geworden. Also, so hoffen Anleger und Steuerzahler seither gleichermaßen, muss sich beim System der Agenturen etwas ändern.
Diese Hoffnung ist inzwischen in Verzweiflung umgeschlagen. Tatsächlich ändert sich nämlich kaum etwas. Als Folge der Finanzkrise gewinnt ein nur leicht modifiziertes System von Ratingagenturen mitsamt seinen Protagonisten noch an Bedeutung. Eine Mail von diesen Herren, die offenbar im Mailfeld "Adressaten" nicht ganz sattelfest sind, bedeutet, dass das Euro-System ins Wanken gerät.
Im Fall von Länderratings bedeutet diese Erkenntnis, dass eine unabhängige Institution, die über Expertise verfügt, hier eine dringende Aufgabe findet. Vielleicht könnte die EZB, die derzeit ja nichts anderes zu tun zu haben scheint, als Staatsanleihen zu kaufen, sich dieses Themas endlich einmal annehmen.