Kommentar Mit Gary Cohn verliert die Trump-Regierung die wirtschaftliche Vernunft

Für den wirtschaftspolitischen Kurs der USA verheißt der Abgang von Gary Cohn nichts Gutes. Denn er birgt eine große Gefahr.

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Berlin

Gary Cohn ist sicherlich kein „push-over“. So bezeichnet man in Amerika Menschen, die sich leicht beiseiteschieben lassen.

Der 57-jährige Investmentbanker gilt seit seiner Zeit bei Goldman Sachs als durchsetzungsstark. Seine formidable Größe und sein eher bulliges Aussehen unterstreichen das überaus gesunde Selbstbewusstsein des in Ohio geborenen Amerikaners.

Dass ausgerechnet Cohn jetzt von US-Präsident Donald Trump zum Rücktritt gezwungen wird – man könnte auch sagen, er wird beiseitegeschoben – sagt viel aus über den Zustand im Weißen Tollhaus in Washington.


Mit Cohn verliert Trump nicht nur seinen wichtigsten Wirtschaftsberater, sondern auch einen der wenigen, die in seiner Regierung über ökonomischen Sachverstand verfügten. Vergessen sollte man allerdings nicht, dass Cohn es war, der zusammen mit Trumps Nationalem Sicherheitsberater H.R. McMaster jenen berüchtigten Artikel verfasste, in dem die Welt als eine „Arena“ miteinander ringender Nationen beschrieben wurde.

Es ist bezeichnend für die Verzweiflung der amerikanischen Handelspartner, dass ihre Hoffnungen zuletzt auf einem Mann ruhten, der nicht gerade ein Freund internationaler Kooperation ist.

Auch wenn Cohn und Trump das jetzt nicht offen sagen: Der Direktor des National Economic Council verlässt die US-Regierung, weil er die vom Präsidenten angedrohten Strafzölle für Stahl- und Aluminiumimporte nicht mittragen wollte.

Nicht nur das: Cohn wurde vom Vorpreschen Trumps völlig überrascht und sah wohl keine Chance mehr, den protektionistischen Kurs des Präsidenten noch korrigieren zu können.

Trump hört jetzt auf die Sirenengesänge des Antifreihändlers Peter Navarro und auf Wirtschaftsminister Wilbur Ross. Navarro, der mit seinem Buch „Death by China“ seinen Standpunkt in Handelsfragen klar markiert hat, macht sich zudem Hoffnungen, Cohn als obersten Wirtschaftsberater zu beerben.

Für den wirtschaftspolitischen Kurs der USA verheißt das nichts Gutes. Die Reaktionen an den Finanzmärkten zeigen das – der Dollar und der Dow bekamen nach dem Rücktritt Cohns weiche Knie.

Wenn es eine politische Konstante im Leben Donald Trumps gibt, dann ist es seine Abneigung gegen den Freihandel. Schon in den 1980er-Jahren wetterte er gegen angebliche unfaire Handelspraktiken Japans.

Dass der Politunternehmer dabei ständig Handelsdefizite mit „Verlusten“ von Unternehmen verwechselt, offenbart den ökonomischen Unsinn, der jetzt im Weißen Haus zur herrschenden Meinung zu werden droht.

Gefährlich ist das deshalb, weil auch Handelskriege oft aus Dummheit, Ignoranz und Übermut vom Zaun gebrochen werden. Ein Schlagabttausch nach dem biblischen Motto „Auge um Auge“ würde uns jedoch alle blind machen, warnt der Chef der Welthandelsorganisation Roberto Azevedo völlig zu Recht.

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