Kommentar zum Referendum Starke Signale aus der Schweiz

Überraschend deutlich haben sich die Schweizer Bürger am Sonntag gegen die Einführung einer Zwei-Klassen-Justiz für Ausländer ausgesprochen. Ihren Nachbarn haben sie damit gleich mehrere wichtige Signale gesendet.

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Die Schweizer haben gegen die sogenannte Durchsetzungsinitiative gestimmt. Quelle: Reuters

Zürich Die Schweiz sendet an diesem Sonntag gleich zwei positive Signale an seine Nachbarn. Zum einen: Die Bürger haben sich mit absoluter Deutlichkeit gegen die Einführung einer Zwei-Klassen-Justiz für Ausländer ausgesprochen. An dieser Ablehnung von rund 60 Prozent bei einer bemerkenswerten Wahlbeteiligung von mehr als 60 Prozent gibt es nichts zu deuten.

Die Schweizer zeigen damit, wie sehr sie darauf erpicht sind, dass rechtsstaatliche Prinzipen erhalten bleiben. Denn die Initiative hätte nicht nur den Grundsatz abgeschafft, dass alle Bürger - und damit auch Ausländer - vor dem Gesetz gleich sind. Sie hätte auch Richter und das Parlament entmachtet. Denn die Vorgaben der Initiative waren so strikt, dass Richter keinerlei Ermessenspielraum hätten haben dürfen. Das Parlament hätte zudem keinen Spielraum bei der Umsetzung der Initiative gehabt.

Die Leier des SVP, dass damit verhindert werden sollte, dass die Eliten des Landes sich weiter über den Volkswillen hinwegsetzen, verfing Gott sei Dank nicht. Aus deutscher Sicht war diese völkische Anti-Eliten-Argumentation überdies schwer zu ertragen, weckte sie doch allzu düstere Erinnerung an die Vergangenheit.

Das zweite positive Signal aus der Schweiz: Die Art und Weise, wie sich die Gegner der SVP mobilisiert haben. Es war kein reicher Wirtschaftsverband, der mit einer teuren, wie zunehmend nutzlosen Plakat-Kampagne den Ton angab. Es war ein wahres Aufbegehren der Zivilgesellschaft, das die SVP bei ihrem Kernthema „Angst vor Ausländern“ in die Schranken verwies.

Zu hoffen bleibt, dass diese Graswurzelbewegung ihren Schwung behält, um weitere Initiativen, die die Kampagnen-Maschine SVP derzei ausbrütet, niederzuringen. Etwa den Plan, dass Schweizer Recht künftig Vorrang vor Völkerrecht haben soll. So etwas passt eigentlich mehr zu Nordkorea als zu dem Land, in dem die Menschenrechts-Konvention einst formuliert wurde.

Das Verhältnis der Schweiz zur EU bleibt indes schwierig. Der Streit darüber, dass die Schweizer in Zukunft das Ausmaß der Zuwanderung selbst steuern wollen, ist auch zwei Jahr Jahre nach Annahme der Masseneinwanderugs-Initiative ungelöst.

Die Abstimmung vom Sonntag kann aber auch als Zeichen interpretiert werden, dass die Schweizer weiterhin an einem partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit der EU interessiert sind - auch wenn die Schweizer auch in Zukunft sicher ein schwieriger Partner bleiben werden.

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