Kommentar zur Präsidentenwahl Mit Putin behält Russland auch seine Probleme

Russlands alter und neuer Präsident heißt Wladimir Putin. Mit Blick auf die Wahlbeteiligung muss die Opposition sich auch an die eigene Nase fassen.

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Der Präsident profitierte auch von einer zerstrittenen Opposition. Quelle: Reuters

Moskau And the winner is…Wladimir Putin. Der Trommelwirbel ist überflüssig, die Überraschung hält sich in Grenzen. Hellseherischer Fähigkeiten bedurfte es nicht, um den Wahlsieg Wladimir Putins vorauszusagen. Laut ersten Hochrechnungen kommt er auf gut 72 Prozent. Die Zahlen dürften dem Ego des Kremlchefs schmeicheln.

Alle Bedingungen für den haushohen Sieg hatten die Behörden vorsorglich geschaffen: Wieder einmal wurden unangenehme Kandidaten im Vorfeld ausgesondert. Die zugelassenen Gegner wiederum waren mehr damit gegenseitig aufeinander einzudreschen, als den Amtsinhaber zu attackieren. Wieder einmal wurden auch Beamte und Angestellte des öffentlichen Dienstes zur Stimmabgabe regelrecht gedrängt.

Wieder einmal war Putin auf den Bildschirmen omnipräsent. In der Woche vor der Wahl flutete gar noch eine zweiteilige Putin-Doku, gedreht vom Programmchef der staatlichen Nachrichten Andrej Kondraschow, das Internet. „Ein toller Film“, lobte Kremlsprecher Dmitri Peskow anschließend. Als PR-Arbeit war sie das zweifellos.

Doch auch wenn die russische Präsidentenwahl 2018 nicht als Beispiel für Fairness und Transparenz in die Geschichtsbücher eingehen wird: Die Opposition muss sich auch an die eigene Nase fassen, was den Wahlkampf betrifft. Sie hat sich innerlich zerrissen gezeigt. Obwohl das bekannteste Gesicht der Opposition Alexej Nawalny – sei es aus Prinzip oder gekränkter Eifersucht wegen seiner eigenen Nichtzulassung – einen Boykott der Wahlen forderte, konnte er sich damit in den Reihen der Protestbewegung nicht durchsetzen. Der Kreml hat zwar sein Wunschergebnis von 70 Prozent Wahlbeteiligung nicht geschafft. Mit knapp 64 Prozent liegt die Wahlbeteiligung aber nur knapp unter dem Niveau der Wahl 2012.

Rückhalt in der eigenen Bevölkerung genießt Putin also durchaus. Diesen Fakt muss man zur Kenntnis nehmen. Dabei haben sich sowohl sein Image, als auch seine Prioritäten in den 18 Jahren an der Macht gewandelt. Trat er zunächst als Wirtschaftsreformer auf und war den Russen Symbol für den ökonomischen Aufschwung nach den chaotischen 90er Jahren, die einen Großteil der Bevölkerung verarmen ließen, so setzte Putin später immer mehr auf die starke Hand des Staates in der Wirtschaft und spätestens seit dem Anschluss der Krim den Akzent auf die Außenpolitik. Statt mit Wachstum wirbt Putin nun mit Stabilität und Großmachtstatus.

Natürlich enthielt seine programmatische Rede zur Lage der Nation kurz vor der Wahl auch Modernisierungsaufrufe. Investitionen in Infrastruktur und Städtebau sind ein Ansatz, um dringend notwendiges neues Wachstum zu generieren. Entbürokratisierung und Digitalisierung nötig, um den Anschluss nicht zu verlieren. Doch solche Appelle gab es auch 2012. Umgesetzt wurden sie nicht. Und leider wurde die Rede von der volltönenden Demonstration neuartiger Atomwaffen überschattet, die den Rest der Welt dazu zwingen soll, Russland den aus seiner Sicht zustehenden und lange vermissten Respekt zu zollen. Militärische Stärke als Objekt des Stolzes.

Ob Bluff, oder nicht: Putins Programmatik gibt wenig Hoffnung auf eine Erneuerung seiner Politik in seiner vierten Amtszeit. Sie ist rückwärtsgewandt. Wenn der Rüstungssektor der Motor der Modernisierung Russlands sein soll, dann sind wir nicht mehr weit von der Sowjetunion entfernt, wo der Großteil des Haushalts in die Entwicklung immer neuer Waffentechniken floss, während in allen zivilen Bereichen ein totales Defizit herrschte.

Nein, es wird keine genaue Kopie. Aber die Tendenz ist erkennbar. Auch in einem weiteren Punkt. Die Sowjetdiktatoren herrschten zumeist bis zum Totenbett, ob sie wollten oder nicht. Wenn Putins nächste Amtszeit 2024 ausläuft, ist er 71 Jahre alt. Laut Verfassung dürfte er nicht noch einmal kandidieren. Doch das russische System der „Gewaltenteilung“ ist ganz und gar auf ihn abgestimmt. Ein Nachfolger ist nicht in Sicht.

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