Kommunalwahlen in Südafrika Der Absturz der Mandela-Partei

Ein politisches Erdbeben erfasst Südafrika: Die ANC-Partei erzielte bei den Kommunalwahlen in dieser Woche das schlechtestes Ergebnis seit dem Ende der Apartheid. Der Nimbus von Nelson Mandela schwindet dahin.

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In Johannesburg und Pretoria liegen der ANC und die liberale Opposition der Democratic Alliance (DA) Kopf an Kopf. Quelle: dpa

Kapstadt Für allzu schlau schien Jacob Zuma seine Wähler bislang nicht zu halten. Wenn Kritiker ihn in den letzten Jahren nach dem illegalen Ausbau seiner Privatresidenz Nkandla mit Steuergeldern oder einer dubiosen Personalentscheidung befragten, pflegte Zuma gerne zu antworten, dass solche Dinge nur „diese ganz schlauen Leute, die ganz cleveren“ beschäftigten. Für ihn und seine Anhänger sei das Ganze gar kein Problem. Sie würden ihn trotzdem wählen.

Ganz falsch lag der 74-Jährige damit nicht: Über 20 Jahre lang war sein Afrikanischer Nationalkongress auf Wahlsiege quasi abonniert, egal ob die Aids- oder Arbeitslosenzahlen munter stiegen oder Zuma in ein neues Fettnäpfchen tappte. Seit dem Ende der Apartheid und den damit verbundenen ersten freien Wahlen im April 1994 zehrte die einstige Widerstandsbewegung kräftig von ihrem Image als Befreier und lebte vom klangvollen Namen Nelson Mandelas, seines berühmtesten Vertreters, der 2013 starb.

Die bedingungslose Loyalität zum ANC, die viele schwarze Südafrikaner noch lange nach dem Ende der Apartheid für jene Partei empfanden, die sie vom Joch der weißen Vorherrschaft befreit hat, saß tief. Doch mit den Kommunalwahlen in dieser Woche scheint es mit dieser Nibelungentreue zumindest in weiten Teilen vorbei zu sein.

Vor dem Hintergrund immer neuer Skandale, hoher Arbeitslosigkeit und eines inzwischen auf null abgestützten Wirtschaftswachstums verbuchte der ANC in dieser Woche sein mit Abstand schwächstes Wahlergebnis seit dem Ende der Apartheid und bekam von den Wählern einen kräftigen Denkzettel verpasst. Bei den Kommunalwahlen kam die Partei landesweit auf 54 Prozent der Stimmen gegenüber 62 Prozent bei den Wahlen vor fünf Jahren. Die größte Oppositionspartei Demokratische Allianz (DA) lag mit 26 Prozent auf dem zweiten Platz, gefolgt von der linken Partei Kämpfer für wirtschaftliche Freiheit (EFF) mit acht Prozent.

Ob das schlechte Abschneiden Zuma mittelfristig den Job kosten wird, dürfte sich jedoch wohl erst im nächsten Jahr entscheiden, wenn der ANC im Dezember zu einer wichtigen Parteikonferenz zusammentritt und über die Nachfolge bestimmt. Vorher ist dies schon deshalb unwahrscheinlich, weil Zuma ein dichtes Netz an Loyalitäten um sich gesponnen hat.

Ebenso unwahrscheinlich ist allerdings, dass der kontroverse Präsident unter den gegenwärtigen Umständen bis zur nächsten Wahl Mitte 2019 im Amt bleiben wird. Gerettet hat Zuma diesmal allein noch die ihm treu ergebene Bevölkerung auf dem Land, wo der ANC noch immer satte Mehrheiten von über 60 Prozent und mehr einfährt.


Bislang unverrückbare Rassenschablonen zerspringen

Gleichzeitig sind der Bewegung aber die Städte abhanden gekommen, womöglich nun sogar das immens wichtige Wirtschaftszentrum Johannesburg, wo der ANC fast 20 Prozent verlor und nun im besten Fall durch eine Koalition mit den linksradikalen Economic Freedom Fighter im Amt bleiben könnte, die eine solche Option ihrerseits aber bereits ausgeschlossen haben.

Ähnlich dramatisch ist die Lage in der Hauptstadt Pretoria (Tshwane) mit einem quasi identischen Szenario. In beiden Städten liegen der ANC und sein Erzrivale, die liberale Opposition der Democratic Alliance (DA), Kopf an Kopf und können nicht allein regieren. Auch wenn der ANC dank der ihm noch immer treu ergebenen Landbevölkerung insgesamt auf eine absolute Mehrheit von 54 Prozent kam, ist das Ergebnis nach Aussagen von Beobachtern dennoch ein zumindest kleines politisches Erdbeben.

Dass die bislang schier unverrückbaren Rassenschablonen allmählich zerspringen, zeigt das gute Abschneiden der DA, die ihren Stimmenanteil insgesamt auf knapp 27 Prozent steigern konnte und damit auf immerhin nun halb so viele Stimmen wie der ANC kam. 1994 hatte der Vorläufer der DA bei den ersten freien Wahlen weniger als 2 Prozent erhalten.

Als Einschnitt wird gewertet, dass die DA die bislang vom ANC kontrollierte Küstenstadt Port Elizabeth künftig regieren wird, allerdings wohl in Koalition mit einer kleineren Partei. Port Elizabeth ist die größte Stadt der Provinz Ostkap, in der Nelson Mandela einst geboren wurde. Das erweiterte Stadtgebiet von Port Elizabeth heißt deshalb auch offiziell Nelson Mandela Bay, was den hohen symbolischen Wert der Region verdeutlicht.

Erwartungsgemäß klar ging das Westkap, die Hochburg der DA, auch diesmal wieder an die Liberalen – mit nun aber mehr als 60 Prozent. Der von parteiinternen Querelen geplagte ANC fiel hier von 34 Prozent (2011) auf nur noch 25 Prozent zurück. In Kapstadt selbst, der Kapitale der Provinz, konnte die DA ihren bereits hohen Stimmanteil von 61 Prozent auf spektakuläre 70 Prozent ausbauen.

Viele Beobachter sprachen davon, dass das Wahlergebnis Anlass zur Hoffnung gebe, weil es die durch Zuma unter Druck geratene junge Demokratie am Kap stärkt. Ermutigend ist vor allem, dass die personell umgebaute und aufgefrischte Opposition den lange Zeit sichtbaren Trend des Landes zum Einparteienstaat womöglich doch noch stoppen und dafür sorgen könnte, dass sich Südafrika nicht auch noch in den langen Reigen der gescheiterten Demokratien in Afrika einreiht.

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