




Trotz einer hochexpansiven Geldpolitik hat die weltgrößte Volkswirtschaft zum Jahresende 2012 einen herben Dämpfer erlitten. Die Wirtschaftsleistung der USA war im vierten Quartal erstmals seit dreieinhalb Jahren rückläufig, wie aus der ersten Schätzung des Handelsministeriums vom Mittwoch in Washington hervorgeht. Das Bruttoinlandsprodukt schrumpfte mit einer hochgerechneten Jahresrate von 0,1 Prozent, nach einem Plus von 3,1 Prozent im Quartal davor.
Dass sich das Wachstumstempo abschwächen würde, hatten Volkswirte erwartet. Überraschend ist indes das Ausmaß des Dämpfers. Die Erwartungen von plus 1,1 Prozent wurden klar verfehlt. Wird die Wachstumsrate nicht auf das Jahr hochgerechnet, wie etwa in Europa üblich, bewegt sich Wirtschaftswachstum nahe der Null-Linie.
Die USA zittern vor der „Fiskalklippe“
Durch die "Fiskalklippe" könnten der US-Wirtschaft im kommenden Jahr mehr als 500 Milliarden Dollar entzogen werden. Das überparteiliche Haushaltsbüro im Kongress befürchtet, dass das Bruttosozialprodukt um 0,5 Prozent schrumpfen würde. Die Arbeitslosenquote würde bis Ende 2013 von derzeit 7,7 auf 9,1 Prozent steigen. Nach Einschätzungen des Internationalen Währungsfonds dürfte sich ein Einbruch der US-Konjunktur auf die gesamte Weltwirtschaft auswirken, die ohnehin schon gebannt die Schuldenkrise in der Eurozone verfolgt.
Die Steuererhöhungen betreffen die Einkommenssteuer, die Erbschaftssteuer, Abgaben auf Kapitalerträge sowie eine Reihe von Abschreibungsmöglichkeiten, die wegfallen würden. Die Beiträge zur staatlichen Rentenversicherung sollen dem Szenario entsprechend auch steigen. Obama warnt, dass eine typische Familie der Mittelschicht im Schnitt 2200 Dollar mehr Steuern zahlen müsste. Auch Konjunkturmaßnahmen wie die Verlängerung der Arbeitslosenhilfe würden Ende des Jahres auslaufen.
Das im August 2011 verabschiedete Haushaltskontrollgesetz verpflichtet die US-Regierung, die Ausgaben über zehn Jahre um 1,2 Billionen Dollar (gut 900 Milliarden Euro) zu kürzen. Allein im kommenden Jahr würden pauschal 55 Milliarden Dollar im Verteidigungshaushalt und weitere 55 Milliarden Dollar in anderen Bereichen gestrichen.
Zum Jahreswechsel laufen eine Reihe von Steuererleichterungen aus der Zeit von Obamas Vorgänger George W. Bush aus. Die meisten der Vergünstigungen wollen auch die Demokraten wie zuletzt im Dezember 2010 verlängern - nur bei den Topverdienern verlangen sie, dass die Steuersätze steigen. Weil sich die Republikaner dagegen stemmen, wirft Obama ihnen vor, die breite Bevölkerung als "Geisel" zu nehmen, um den Reichen ihre Steuerprivilegien zu erhalten.
Die ab Januar drohenden Kürzungen gehen auf den Haushaltskompromiss vom Sommer 2011 zurück, als der Streit um die Anhebung der Schuldenobergrenze die USA an den Rand der Zahlungsunfähigkeit gebracht hatte. Die damals vereinbarten drakonischen Einschnitte waren eigentlich als eine Art Drohkulisse gedacht, damit sich Republikaner und Demokraten auf einen ausgewogenen Plan zum Abbau des Haushaltsdefizits verständigen. Doch ohne Lösung bis Jahresende wird die Sparbombe automatisch gezündet.
Die "Fiskalklippe" ist der jüngste Ausdruck des seit Jahren schwelenden Streits zwischen Demokraten und Republikanern im Kongress über die Sanierung der Staatsfinanzen. Während die Demokraten von Präsident Barack Obama die Reichen stärker belasten wollen, lehnen die Republikaner höhere Steuern als Gefahr für Wirtschaft und Jobs ab. Stattdessen wollen sie vor allem bei den Sozialprogrammen stärker kürzen.
Für das Gesamtjahr 2012 errechneten die Statistiker der Regierung ein reales Wirtschaftswachstum von 2,2 Prozent, nach 1,8 Prozent 2011. Sie weisen allerdings darauf hin, dass die erste Schätzung zum vierten Quartal 2012 noch auf lückenhaften Daten fußt. Die zweite Schätzung auf breiterer Datenbasis soll am 28. Februar veröffentlicht werden. An den Finanzmärkten fiel die erste Reaktion enttäuschend aus. Vor allem der amerikanische Dollar geriet unter Druck. Dementsprechend stark präsentierte sich der Euro, der am Mittwoch in die Nähe der Marke von 1,36 Dollar vorstieß.
Die Wachstumsschwäche zum Jahresende geht vor allem auf das Konto rückläufiger Staatsausgaben. Besonders tief im roten Bereich lagen die Rüstungsausgaben, die mit gut 22 Prozent so stark wie selten zuvor nachgaben. Zudem war der Lageraufbau rückläufig, die Unternehmen produzierten also weniger „auf Halde“. Vom Außenhandel wurde die Entwicklung zusätzlich durch schwache Exporte belastet. Gestützt wurde die US-Konjunktur indes durch höhere Ausgaben der Verbraucher. Auch die Investitionen der Unternehmen und die Bauausgaben verhinderten ein stärkeres Minus. Die Außenhandelsbilanz wurde durch geringere Importe in ein etwas günstigeres Licht gerückt.
Bankvolkswirte zeigten sich von dem konjunkturellen Rücksetzer überrascht, verwiesen aber auf positive Aspekte. Genannt wurde insbesondere der Zuwachs bei den Konsumausgaben, die für die USA als Wachstumstreiber schlechthin gelten. Der Anstieg der Investitionsausgaben deutet demnach auf größere Zuversicht der US-Unternehmen hin, während sich die Erholung des krisengeschüttelten Immobilienmarkts - Auslöser der Finanzkrise von 2008 - fortzusetzen scheint. Mithin sahen die meisten Ökonomen keinen Grund, das Ende der moderaten Erholungskurses auszurufen.