Korruption im Kreml? Wer anklagt, wird angeklagt

Die Kremlpartei „Geeintes Russland“ hat offenbar verbotene Spenden aus dem Ausland erhalten und dafür Staatsaufträge vergeben. Die Justiz knöpft sich nun aber die Wahlbeobachter vor. Diese seien „ausländische Agenten“.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
NGOs werfen der russische Regierung unlauteres Verhalten vor. Quelle: dpa

Die Wahlbeobachter der russischen Nichtregierungsorganisation „Golos“ haben eine brisante Entdeckung gemacht. Bei der Parteienfinanzierung laufen Millionen über ausländische Offshore-Firmen, etwa über Zypern, die Virgin Islands oder die Schweiz. Nach dem russischen Wahlgesetz ist das zwar verboten, aber in Russland gilt so ein Verbot eben nicht für jeden. Statt gegen bestechliche Parteien vorzugehen, hat ein russisches Gericht die Auflösung der Assoziation „Golos“ als „ausländischen Agenten“ wegen mehrfachen Verstoßes gegen russische Gesetze angeordnet. Doch mundtot machen lässt sich die Wahlbeobachter damit nicht. Sie haben sich längst reorganisiert und inzwischen eine brisante Liste der Parteispender veröffentlicht.

Aus der Liste geht hervor, dass ausgerechnet die Kremlpartei „Geeintes Russland“, die das umstrittene NGO-Gesetz über ausländische Agenten durch das Parlament gepeitscht hat, selbst einen Teil seiner Spendengelder über ausländische Adressen erhält. Das Parteiengesetz verbietet es, Gelder von ausländischen Firmen anzunehmen. Die Regel erstreckt sich nicht nur auf den Spender selbst, sondern auch auf seine Mutter- und deren Muttergesellschaft.

„Formell lässt sich das Verbot über ausländische Finanzierung leicht umgehen, indem man das ausländische Geld durch drei Organisationen fließen lässt. Man kann dann zwar immer noch sehen, woher das Geld kommt, aber das Gesetz lässt das zu“, erläuterte Jewgeni Koljuschin von der zentralen Wahlkommission die Rechtslage, die er selbst als „unmöglich“ kritisierte.

Doch in einigen Fällen machte sich „Geeintes Russland“ nicht einmal die Mühe, das dreifache Sicherheitsnetz zu spannen: So spendete die „Transport- und Speditionsgesellschaft des Metallurgiekombinats Magnitogorsk 30 Millionen Rubel (gut 400.000 Euro). 87,2 Prozent des Unternehmens gehört aber der zypriotischen Mintha Holding. Die ebenfalls zypriotische Sunflake Ltd spendete über zwei Tochterunternehmen 17 Millionen Rubel. Und auch die in der Schweiz registrierte Eurochem Group spendete über ein Tochterunternehmen noch einmal acht Millionen Rubel.

Nur im Fall der Millionenspende eines Maschinenbauers, hinter dem Aktionäre aus den USA und Litauen stehen, hat „Einiges Russland“ Geld zurückgezahlt – allerdings auch nur die Hälfte. Auf die Vorwürfe angesprochen, erklärte Konstantin Masurewski aus dem Parteivorstand lapidar, „Geeintes Russland“ habe „die offizielle Bestätigung der Zentralen Wahlkommission, dass es bei uns keine Verstöße gab“.

Es ist übrigens nicht das erste Mal, dass derartige Verstöße bei der Partei aufgedeckt werden. Schon 2013 wandte sich der Chefjurist der russischen Kommunisten (KPRF) Wadim Solowjow an Wahlkommission, Generalstaatsanwaltschaft und Ermittlungskomitee, weil „Geeintes Russland“ Geld aus dem Ausland überwiesen bekommen hatte.


Staatsaufträge gegen Spenden

Passiert ist nichts. Die Behörden hätten ihn einfach nur im Kreis hin- und herlaufen lassen, ihre Kompetenz abgestritten und jeweils auf die andere Seite verwiesen, erinnert sich Solowjow. Masurewski verwies auch damals auf den Persil-Schein der Wahlkommission.

Ganz allein ist die Kremlpartei mit ihren dubiosen Offshore-Spendern nicht. Auch die kleinere Schwesterpartei „Gerechtes Russland“ und die patriotische „Rodina“ (Heimat) bekamen nach diesem Schema kleinere Summen in die Kassen. Zumindest Rodina will den Vorgang aber nun noch einmal überprüfen.

Es gibt aber doch noch einen großen Makel bei den Parteienspenden von „Geeintes Russland“: Insgesamt 80 ihrer Spender haben vorher gigantische Staatsaufträge an Land gezogen. Das ist immerhin ein Drittel aller Großsponsoren, die mindestens eine Million Rubel (knapp 14.000 Euro) gespendet haben.

„Bei anderen politischen Parteien gibt es solche Verträge nur minimal, wenn überhaupt“, sagte der Verfasser des Golos-Berichts Stanislaw Andrejtschuk. Zumeist handelt es sich bei den Gebern um Baufirmen oder Zulieferer für den staatlichen Rüstungssektor. Laut Andrejtschuk erinnert das Schema an Bestechungsgelder.

Offiziell dürfen Staat und Staatsbetriebe die Parteien übrigens nicht über die gesetzlich festgelegte Haushaltsfinanzierung der Parteien, die über drei Prozent der Stimmen bei der Duma-Wahl erhalten haben, finanzieren. Die Vergabe von Staatsaufträgen mit der Auflage zu verbinden, Spenden an die Kremlpartei zu leisten, ist ein Manöver, diese Vorgabe zu umgehen, um den eigenen Leuten Vorteile im Wahlkampf zu verschaffen. Im Klartext nennt man das Korruption.

Bei der bevorstehenden Duma-Wahl am 18. September kämpft „Geeintes Russland“ um den Erhalt der absoluten Mehrheit im Parlament. Laut dem kremlnahen Meinungsforschungsinstitut FOM würden 44 Prozent aller Befragten derzeit „Geeintes Russland“ wählen, die LDPR käme auf elf Prozent, die KPRF auf zehn und „Gerechtes Russland“ auf sieben Prozent. Zehn Prozent der Befragten wollen hingegen nicht wählen gehen, zwölf Prozent haben sich noch nicht entschieden.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%