Bei der Streichung der Subventionen ist die Regierung schon teilweise vor den Protesten eingeknickt. So wurde die Begrenzung des preisreduzierten Bezugs von Haushaltsgaszylindern von sechs auf neun pro Familie angehoben. Trotzdem ein kleiner Fortschritt: Vorher gab es hier nicht einmal ein Limit.
Widerstand konzentriert sich auf Einzelhandel
Umstritten ist vor allem die Öffnung des Einzelhandels. "Viele Inder fürchten um das Überleben ihrer kleinen lokalen Kirana Stores, die ihre Kunden persönlich beliefern und im Notfall auch anschreiben lassen", sagt Klaus Maier. Johannes Wamser sieht hier ein beträchtliches Mobilisierungspotenzial für die Opposition, weil die effizienten ausländischen Supermarktketten die Existenz Abertausender kleiner Ladenbesitzer und unzähliger Arbeitsplätze bedrohen.
Deshalb ist hier vermutlich nur ein "schöngefärbter Kompromiss" (Kebschull) wahrscheinlich. Ohnehin sieht der Regierungsbeschluss zahlreiche Einschränkungen vor. So ist die Öffnung des Einzelhandels für Ausländer an die Zustimmung der jeweiligen Bundesstaaten gebunden, in dem die Investition stattfinden soll. Zugestimmt haben bislang nur zehn von 28 Bundesstaaten, die auch von der Kongresspartei regiert werden, mit Ausnahme von Kerala. Der bevölkerungsreichste Bundesstaat Uttar Pradesh gehört genauso zu den Verweigerern wie das eigentlich wirtschaftsfreundlich geführte Gujarat.
Solche komplizierten Regelungen auf Ebene der Bundesstaaten machen es großen Konzernen schwer, in Indien Fuß zu fassen. Die deutsche Metro beispielsweise ist mit ihren Großmärkten schon seit einigen Jahren in Indien aktiv, hat aber die Expansion aufgrund von administrativen Einschränkungen gestoppt. So darf sie in etlichen Bundesstaaten keine Lebensmittel in ihr Produktprogramm aufnehmen.
Weiterhin ist die Öffnung des Einzelhandels beschränkt auf Städte mit mehr als einer Million Einwohner. Davon gibt es in Indien derzeit 53, aber nur 16 davon liegen in Bundesstaaten, die der Reform zustimmen. Ausländische Investoren müssen mindestens 100 Millionen Dollar investieren, davon die Hälfte in ländliche Regionen und mindestens die Hälfte in die dazugehörende Infrastruktur. Darunter versteht die Regierung nicht den eigentlichen Supermarkt, sondern Lebensmitteproduktion und -verarbeitung, Distribution, Qualitätskontrolle, Verpackung und Logistik.
Schließlich müssen die Supermärkte mindestens 30 Prozent ihrer Produkte bei klein- und mittelständischen indischen Unternehmen einkaufen. Und Online-Verkäufe bleiben Märkten unter ausländischem Mehrheit generell verboten, selbst im sogenannten Single-Brand-Handel.