Kräftemessen in Venezuela Trump stellt sich hinter Guaidó – Militär auf Maduros Seite

Venezuela: Donald Trump stellt sich hinter Juan Guaidó Quelle: dpa

Der junge Parlamentschef Guaidó erklärt Venezuelas Präsidenten für entmachtet und ruft sich selbst als Staatschef aus. Die USA und zahlreiche weitere Staaten springen ihm bei. Aber das Militär hält eisern zu Maduro.

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Nachdem sich Venezuelas Parlamentschef Juan Guaidó zum Interims-Präsidenten erklärt hat, spitzt sich der Machtkampf in dem südamerikanischen Land zu. Staatschef Nicolás Maduro sprach von einem Staatsstreich und warf den USA vor, eine Marionettenregierung einsetzen zu wollen. Sowohl im Land selbst wie auch international werden jetzt die politischen Fronten deutlich sichtbar.

Guaidó hatte am Mittwoch nach der Macht gegriffen. Kurz darauf stellten sich die USA, die EU, die Organisation Amerikanischer Staaten sowie zahlreiche lateinamerikanische Regierungen hinter Maduros 35-jährigen Herausforderer.
Im eigenen Land kann Maduro noch immer auf die Unterstützung des mächtigen Militärs zählen. Auch seine Verbündeten in Bolivien und Kuba halten noch zu dem Sozialisten, dessen Land über die größten Erdölreserven der Welt verfügt. Russland, China, die Türkei und der Iran stützen Maduro ebenfalls.

Das Weiße Haus rief Maduro am Mittwoch (Ortszeit) zu einer friedlichen Machtübergabe auf und drohte dem Sozialisten andernfalls mit schweren Konsequenzen. „Alle Optionen sind auf dem Tisch“, sagte US-Präsident Donald Trump. Er werde weiter auf „die Wiederherstellung der Demokratie in Venezuela“ dringen. Ein hochrangiger US-Regierungsvertreter wollte am Mittwoch auf Nachfrage auch eine militärische Option nicht ausschließen. „Maduro und seine Kumpanen“ hätten keine Zukunft, sagte er. „So oder so sind ihre Tage gezählt.“

Nicolás Maduro wurde heute zum zweiten Mal als Präsident Venezuelas vereidigt. Er preist sich und sein Land in den höchsten Tönen. Doch die Realität sieht ganz anders aus, wie ein Blick nach Venezuela zeigt.
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Guaidó erhielt auch Unterstützung aus Brüssel. Die Europäische Union unterstütze die von Guaidó geführte Nationalversammlung „als demokratisch gewählte Institution, deren Befugnisse wiederhergestellt und respektiert werden müssen“, erklärte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini. Ein politischer Prozess müsse „zu freien und glaubwürdigen Wahlen“ führen, „im Einklang mit der Verfassung.“ EU-Ratspräsident Donald Tusk schrieb auf Twitter: „Im Gegensatz zu Maduro verfügt das Parlament, Juan Guaidó eingeschlossen, über ein demokratisches Mandat der venezolanischen Bürger.“ Allerdings vermeidet die EU-Kommission eine explizite Anerkennung Guaidos als neuen Präsidenten Venezuelas. Wiederholt von Journalisten darauf angesprochen, warum die EU nicht so weit gehen wolle, sagt eine Sprecherin: Ziel sei es, sich auf die Entwicklungen vor Ort zu konzentrieren. Die EU unterstütze die Nationalversammlung und sei für einen politischen Prozess, der zu Wahlen führe. „Wir stehen hinter den demokratischen Kräften in dem Land.“ Regierungssprecher Steffen Seibert erklärt über Twitter: „Die Bevölkerung Venezuelas setzt sich mutig für eine freie Zukunft des Landes ein. Dafür braucht es nun einen politischen Prozess, der in freie und glaubwürdige Wahlen mündet.“ Dabei komme der demokratisch gewählten Nationalversammlung eine besondere Rolle zu.
Mit Spannung wurde erwartet, ob sich Papst Franziskus auf dem Weltjugendtag in Panama zu der schweren Krise in Venezuela äußern würde. Das Wort des Kirchenoberhaupts hat im katholisch geprägten Lateinamerika großes Gewicht.

Russland verurteilte am Donnerstag die US-Unterstützung für Guaidó. „Diese sofortige Anerkennung zielt nur darauf ab, die Spaltung der Gesellschaft von Venezuela und die Destabilisierung der innenpolitischen Situation zu verstärken“, teilte das Außenministerium in Moskau mit. Washington vernachlässige die Normen und Grundsätze des Völkerrechts. „Es ist klar, dass man damit unbequeme Regierungen auswechseln will.“ Maduro sei der legitime Präsident des Landes.

Präsident Maduro laufen die Untertanen weg. Hunderttausende Venezolaner fliehen vor Hunger und Unterdrückung. Sie suchen nach einem besseren Leben in Kolumbien, Ecuador oder Peru. Wenn es sein muss, auch zu Fuß.

Der Kreml betonte, man beobachte die Situation in Venezuela sehr genau. Man sei aber besorgt, dass andere Staaten in die internen Probleme des Landes eingreifen würden, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der Agentur Tass zufolge. Auch er erklärte, Russland sehe Maduro als legitimen Staatschef an.
China rief im Machtkampf in Venezuela zur Zurückhaltung auf und warnte besonders die USA vor einer Einmischung. Alle Seiten lehnten entschieden eine militärische Intervention in Venezuela ab, sagte Außenamtssprecherin Hua Chunying am Donnerstag. Auch Sanktionen würden nicht helfen, „praktische Probleme zu lösen“.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan stellte sich ebenfalls hinter Maduro. Er habe ihm in einem Telefonat die Unterstützung der Türkei zugesichert, teilte Erdogans Sprecher, Ibrahim Kalin, in der Nacht zu Donnerstag auf Twitter mit. Erdogan habe gesagt: „Mein Bruder Maduro! Stehe aufrecht, wir sind an Deiner Seite.“ Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu betonte im Sender A Haber, Maduro sei vom Volk gewählt.

Auch Teheran steht weiter hinter Maduro. „Der Iran unterstützt die Regierung und das Volk Venezuelas gegen illegitime und illegale Aktionen wie Putschversuche und ausländische Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Landes“, sagte Außenamtssprecher Bahram Ghassemi am Donnerstag. Man hoffe auf eine friedliche Lösung der politischen Differenzen im Land.

Für einen Machtwechsel muss Guaidó das Militär auf seine Seite ziehen

Maduro brach nach der Solidaritätsnote der USA für Guaidó die diplomatischen Beziehungen zu den Vereinigten Staaten ab und verwies deren diplomatisches Personal des Landes. „Hier ergibt sich niemand. Venezuela hat das Recht, sich selbst souverän zu regieren“, sagte der Staatschef bei einer Rede vor Anhängern. „Die imperialistische US-Regierung will eine Marionettenregierung in Venezuela einsetzen.“

Guaidó forderte das Personal der in Caracas ansässigen Botschaften dagegen zum Bleiben auf. Anderslautende Anweisungen sollten ignoriert werden.

US-Außenminister Mike Pompeo erklärte, er werde das diplomatische Personal zunächst nicht aus der Botschaft in Caracas abziehen. „Die Vereinigten Staaten erkennen das Maduro-Regime nicht als Regierung Venezuelas an“, teilte Pompeo mit. Folglich habe „der frühere Präsident“ auch nicht die Befugnis, diplomatische Beziehungen abzubrechen oder US-Diplomaten zu unerwünschten Personen zu erklären.

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Venezuelas Verteidigungsminister Vladimir Padrino sicherte Maduro die Unterstützung der Armee zu. „Die Soldaten des Vaterlandes akzeptieren keinen Präsidenten, der von dunklen Mächten eingesetzt wird oder sich abseits des Rechts selbst einsetzt“, schrieb Padrino auf Twitter. Guaidó hatte ans Militär appelliert, sich auf die Seite der Regierungsgegner zu stellen.
Ob der Machtwechsel in Caracas gelingt, dürfte davon abhängen, ob die Opposition den Druck auf der Straße aufrechterhalten und das Militär auf ihre Seite ziehen kann. Am Mittwoch gingen landesweit Zehntausende Menschen gegen die sozialistische Regierung auf die Straßen. Die Polizei feuerte Tränengasgranaten und Gummigeschosse in die Menge. Vermummte Demonstranten schleuderten Steine auf die Sicherheitskräfte.

Nach Angaben der Beobachtungsstelle für soziale Konflikte kamen bei den Krawallen 13 Menschen ums Leben. Mindestens 175 Demonstranten wurden festgenommen, wie die Nichtregierungsorganisation Foro Penal mitteilte. Guaidó beklagte die Todesopfer auf Twitter. „Ihren Familien kann ich nur versprechen, dass in unserem Vaterland wieder Gerechtigkeit und Frieden herrschen werden“, so der Parlamentschef.

Venezuela, das rund 30 Millionen Einwohner hat, steckt seit langem in einer tiefen politischen und wirtschaftlichen Krise. Viele Regierungsgegner sitzen in Haft oder leben im Exil. Wegen eines Mangels an Devisen kann das einst reiche Land kaum noch Lebensmittel, Medikamente und Dinge des täglichen Bedarfs importieren. Rund drei Millionen Venezolaner sind schon ins Ausland geflohen.

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