Krieg in Osteuropa 10 Mythen über Putin und die Ukraine

Seite 3/3

Säbelrasseln und Großmacht-Gehabe

8. Der „Maidan“ ist eine pro-europäische Bewegung

Die Absage des EU-Assoziierungsvertrags war zwar der Auslöser der Proteste gegen die später gestürzte Regierung um Präsident Viktor Janukowitsch – aber nicht der kleinste gemeinsame Nenner. Die Ukrainer waren vielmehr ihre korrupten Politiker leid, die aus der Ukraine einen Selbstbedienungsladen gemacht hatten und Unternehmen zugunsten ihrer Clans hemmungslos enteigneten. Die Menschen demonstrierten für eine bessere Regierungsführung, nicht aber unbedingt für Demokratie und Europa mit allem, was dazugehört. Die EU steht hierbei bloß als Chiffre für ein besseres Leben, eine zuverlässigere Politik. Die Ukrainer zu eifernden Demokraten zu verklären und die Maidan-Bewegung zur europäischen Revolution auszurufen, war ein Fehler von EU-Politikern, der Putin provoziert haben muss.

"Wir haben in der Ukraine nichts zu suchen"
"Viele finden Putin toll"Auf den letzten Metern des Europawahlkampfs lassen die Grünen mit dem ehemaligen deutschen Außenminister Joschka Fischer eine ihrer Ikonen über die Ukraine-Krise zu Wort kommen. Auf einer Diskussionsveranstaltung mit Grünen-Chef Cem Özdemir und Spitzenkandidatin Rebecca Harms zum Thema "Friedensmacht Europa - Herausforderung Ukraine" attackierte der ehemalige deutsche Außenminister Wladimir Putin und verteidigte die Maidan-Revolution. Von der Europäischen Union fordert er eine Politik der Stärkegegenüber Russland – sie müsse klarer zeigen. wo sie steht. Für die deutschen „Putin-Versteher“ hat Fischer indes nicht besonders viel übrig und zeigt sich schockiert: "Viele finden Putin auch toll, weil er es den Amerikanern mal richtig zeigt. Das finde ich erschütternd." Für Fischer ist diese Haltung schlicht anti-westlich und anti-europäisch. Quelle: dpa
"Das ist Größenwahn"Auch Altkanzler Helmut Schmidt übt in einem Interview mit der "Bild"-Zeitung scharfe Kritik an der Russlandpolitik des Westens und wirft ihr vor, die Spannungen in der Ukraine-Krise mitverursacht zu haben. Die EU-Kommission hält er aufgrund ihrer Ukraine-Politik für unfähig und straft ihren Versuch, die Ukraine anzugliedern, als "Größenwahn" ab. Quelle: REUTERS
"Der grundlegende Fehler lag in der EU-Assoziierungspolitik"Ex-Kanzler Gerhard Schröder (SPD), der ohnehin als guter Freund von Kremlchef Putin gilt, plädierte kürzlich für mehr Verständnis für den russischen Präsidenten und macht die Europäische Union für die Zuspitzung der Ukraine-Krise verantwortlich. Zwar sieht er im Vorgehen Russlands grundsätzlich "ein[en] Verstoß gegen das Völkerrecht", dennoch wolle er Wladimir Putin, dessen Vorgehen er in den Sanktionsdrohungen der EU und der USA gegen Russland in der Ukraine-Krise begründet sieht, nicht verurteilen. Quelle: dpa
"Solche Methoden hat schon der Hitler im Sudetenland übernommen"Besonders brisant war der Vergleich von Russlands Vorgehen auf der Krim mit der Politik Hitlers. Auf einer Schüler-Veranstaltung des EU-Projekttags 2014 der Bundesregierung hat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble öffentlich Parallelen zwischen der Annexion der Krim durch Wladimir Putin und dem Anschluss des Sudetenlandes durch Adolf Hitler gezogen. Gemeint hatte der die Argumente, die die russische Regierung als Rechtfertigung für die Annexion der Krim anführt. Quelle: dpa
"Zusagen hat es nicht gegeben"Hans-Dietrich Genscher, ehemaliger Bundesaußenminister (FDP), bringt eine neue Definition Europas in die Diskussion ein. Für ihn ist Europa keinesfalls mit der Europäischen Union gleichzusetzen - Europa geht über die Strukturen der EU hinaus. Alle europäischen Völker sollen frei entscheiden können, ob sie der EU oder Russland angehören, oder ob sie unabhängig bleiben wollen. Es müssen Strukturen und Ordnungen geschaffen werden, die ein solches Leben in Freiheit sicherstellen. Quelle: dpa

9. Hinter der Ukraine-Krise stehen die USA, die Europa und Russland entzweien wollen

Die Amerikaner sind kriegsmüde und sähen es gern, dass sich ihre Armee aus den Konflikten der Welt heraushält. Darum taktiert Präsident Barack Obama mit harten Sanktionen und fliegt Drohnenangriffe in fremden Staaten – bloß keine eigenen Soldaten in Gefahr bringen! Die Lösung der Konflikte in Osteuropa oder (Zentral)Afrika würde die schwächelnde Weltmacht gern der EU überlassen. Wirklich wichtig ist den USA die Ukraine beim besten Willen nicht. Andererseits können auch US-Politiker mit Säbelrasseln und Großmacht-Gehabe politische Renditen sammeln, worin sie sich nicht sonderlich von den Russen unterscheiden. Dies erklärt, weshalb Washington bei Sanktionen vorprescht und in Kiew mit Militärhilfen an die Ukraine Öl ins Feuer gießt. Hilfreich im Sinne der Krisenlösung ist das nicht.

10. Die NATO will die Ukraine aufnehmen, um näher an Russland heranzurücken

Putins Paranoia entbehrt jeder Grundlage. Zwar waren die bisherigen Nato-Osterweiterungen ein politischer Fehler, weil Russland die Nicht-Erweiterung versprochen worden war. Doch eine militärisch schwache Ukraine, die mit völlig veraltetem Gerät operiert, kann das westliche Militärbündnis ebenso wenig gebrauchen wie das kleine Georgien. Und eine Provokation der Russen wird sich die NATO erst Recht nicht leisten – nichts anderes wäre ein Beitritt der Ukraine. Indem man dies allerdings vertraglich ausschließt, könnte man Moskau besänftigen. Das wäre ein erster Schritt, um eine weitere Eskalation der Krise in Osteuropa zu verhindern.

.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%