Krim-Krise Deutschland und Frankreich wollen Ukraine-Gespräche widerbeleben

Fünf Jahre dauert der Konflikt in der Ostukraine nun schon. Genauso lange versuchen Deutschland und Frankreich zu vermitteln. Nun wollen sie es erneut versuchen.

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Der Außenminister ist mit seinem französischen Amtskollegen nach Kiew gereist. Quelle: dpa

Kiew Deutschland und Frankreich haben einen neuen Versuch gestartet, den festgefahrenen Friedensprozess in der Ostukraine wieder in Gang zu bringen. Die Außenminister Heiko Maas und Jean-Yves Le Drian flogen am Donnerstag in die ukrainische Hauptstadt Kiew, um mit dem neuen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu sprechen. Ziel ist die Wiederaufnahme der Gespräche zwischen der Ukraine und Russland über die Umsetzung des Minsker Friedensabkommens von 2015. „Es wird nach wie vor geschossen, es kommen Menschen ums Leben und damit wollen wir uns nicht abfinden“, sagte Maas. Der Friedensprozess sei zu einem „völligen Stillstand gekommen. „Das kann nicht so bleiben.“

Die Ostukraine ist seit 2014 zwischen prorussischen, von Moskau unterstützten Separatisten und Regierungstruppen umkämpft. Daran hat auch das in der weißrussischen Hauptstadt Minsk ausgehandelte Friedensabkommen nichts geändert. Deutschland und Frankreich versuchen seit Beginn des Konflikts zwischen der Ukraine und Russland zu vermitteln. Das bislang letzte Außenministertreffen in diesem Vierer-Format - auch Normandie-Format genannt - ist aber jetzt schon fast ein Jahr her, das letzte Gipfeltreffen war im Oktober 2016 in Berlin.

Nach der Amtsübernahme durch Selenskyj in der vergangenen Woche wollen Deutschland und Frankreich versuchen, wieder ein Treffen der Staats- und Regierungschefs oder der Außenminister zustande zu bringen. Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Emmanuel Macron haben darüber schon mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin gesprochen. Merkel hat auch mit Selenskyj telefoniert.

Auf beiden Seiten gibt es eine gewisse Bereitschaft zu einem solchen Treffen. Maas betonte aber, es werde trotzdem nicht einfach werden. Damit meint er vor allem Russland. Das Angebot Putins, den Bewohnern der Ostukraine russische Pässe anzubieten, „ist sicherlich nicht hilfreich gewesen“, sagte der Außenminister. Für eine politische Lösung müsse „jeder Kompromissbereitschaft an den Tag legen“. Das sei in den letzten Monaten bedauerlicherweise nicht mehr der Fall gewesen.

Maas setzte auch mit Blick auf ein anderes Problem ein klares Zeichen in Richtung Moskau. Er traf sich in Kiew mit Angehörigen der 24 von Russland inhaftierten ukrainischen Matrosen. „Wir wollen, dass die ukrainischen Seeleute sofort freigelassen werden“, sagte er. Maas verwies darauf, dass ihre Inhaftierung auch nach einem Urteil des Internationalen Seegerichtshofs in Hamburg unrechtmäßig sei.

Die Matrosen waren im vergangenen Jahr beim Versuch, aus dem Schwarzen Meer ins Asowsche Meer zu gelangen, von der russischen Küstenwache gewaltsam gestoppt und festgesetzt worden. Die Männer sitzen seitdem in Moskau im Gefängnis. Ihnen drohen bis zu sechs Jahre Haft. Russland wirft ihnen Grenzverletzung vor und hält das Gericht in Hamburg für nicht zuständig, weil es sich um einen militärischen Vorfall handele.

Die Bereitschaft Selenskyjs zu neuen Friedensgesprächen schätzte Maas eher positiv ein. „Er hat den Frieden in der Ostukraine als eine seiner Prioritäten bezeichnet. Das ist auch unser Ziel und daran wollen wir zusammen mit ihm arbeiten.“

Selenskyj ist angetreten, den Konflikt schnell zu beenden. Er hat gut eine Woche nach seiner Amtsübernahme bereits die Soldaten an der Front besucht. Anders als sein Vorgänger Petro Poroschenko verzichtete er dabei auf eine Uniform und zeigte sich lediglich in Schutzausrüstung. Er muss aber auch Erwartungen von Soldatenwitwen und Militärs erfüllen, dass die seit fünf Jahren andauernden Kämpfe nicht umsonst gewesen sein dürfen.

Außerdem hat der frühere Komiker ein machtpolitisches Problem: Im Parlament, das Entscheidungen für eine Konfliktlösung absegnen müsste, ist seine Partei bisher nicht vertreten. Russland nimmt ihn deshalb bisher kaum ernst. Zwar hat Putin bereits mit Merkel und Macron über die Ukraine und über Selenskyj gesprochen. Mit dem ukrainischen Präsidenten selbst sprach Putin bisher aber nicht - und hat ihm im übrigen nicht einmal zur Wahl gratuliert.

Ohne eigene Parlamentsmehrheit kann Selenskyj kaum den Minsker Friedensprozess aus der Sackgasse holen. Zwar hat er als Oberkommandierender der Streitkräfte die Befehlsgewalt über die Armee und damit über die Waffenruhe und den Abzug schwerer Waffen als erstem Schritt. Doch kann er weder die im Friedensplan festgeschriebenen Verfassungsänderungen für eine Autonomie der Separatistenregion noch ein Ende der Wirtschaftsblockade durchsetzen.

Auch deshalb löste Selenskyj in seiner Antrittsrede das Parlament auf, das trotzdem weiter tagt und den Präsidenten blockiert. So wiesen die Abgeordneten etwa am Donnerstag die Entlassung des Regierungschefs zurück.

Bei Neuwahlen am 21. Juli hofft Selenskyj auf einen triumphalen Einzug seiner Partei Diener des Volkes - im Original Sluha Narodu - benannt nach der Fernsehserie, in der er jahrelang einen Präsidenten gespielt hatte. Nach Umfragen kann die Partei darauf hoffen, stärkste Kraft zu werden. Erst dann könnte der Weg frei werden, Reformen in dem Land durchzusetzen.

Aus russischer Sicht ist der Juli-Termin auch der nächste, um zu schauen, was dann an Lösungen möglich ist. Die Bereitschaft zu einem neuen Normandie-Treffen hat Moskau stets betont. Kremlsprecher Dmitri Peskow machte aber zuletzt auch deutlich, dass solche Treffen gut vorbereitet werden müssten mit konkreten Zielen. „Natürlich ist niemand ein Anhänger davon, ein Treffen nur um seiner selbst willen abzuhalten“, sagte Peskow.

Mehr: Die Annexion der Krim durch Russland hat für den Westen eine ungeheure Provokation dargestellt. Aus ökonomischer Perspektive war sie für das Land ein Desaster.

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