Die neuen Spannungen zwischen Russland und der Ukraine sorgen in der Weltgemeinschaft für Unruhe und rufen die Diplomatie auf den Plan. In einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats äußerten Botschafter beider Länder ihre Sorge vor einer Eskalation der Lage auf der Schwarzmeerinsel Krim. Die USA mahnten zur Mäßigung.
Auf der von Moskau annektierten Krim waren laut dem russischen Geheimdienst FSB am Wochenende ein Offizier und ein Soldat bei der Abwehr von Attacken ukrainischer „Saboteure“ ums Leben gekommen. Russlands Präsident Wladimir Putin beschuldigte die Regierung in Kiew, die Angriffe geplant zu haben.
Russiche Medien meldeten später die Gefangennahme von mindestens fünf „Saboteuren“. Einer der Verdächtigen sagte laut einem Bericht des Senders REN TV, er gehöre einer Gruppe an, die eine Fährüberfahrt, ein Öldepot und eine Chemiefabrik ins Visier genommen habe. Zudem habe sie russisches Militärgerät in die Luft sprengen wollen. Seine Gruppe habe auf Anordnung des ukrainischen Militärgeheimdienstes agiert.
Das denken die Deutschen in Bezug auf die Ukraine über...
19 Prozent der Deutschen befürworten Waffenlieferungen an die Ukraine. Das ist der absolute Tiefstwert aller Befragten. Die höchste Befürworter-Quote verzeichnet Polen. Hier sind es 50 Prozent der Bürger.
Nur jeder dritte Deutsche ist dafür, dass die Ukraine der Nato beitritt. In Kanada und Amerika sind es jeweils mehr als zwei Drittel.
Für 41 Prozent der Deutschen ist ein EU-Beitritt der Ukraine wünschenswert. Nach Italien (37 Prozent) ist das der Tiefstwert.
71 Prozent sprechen sich für finanzielle Hilfe aus. Das ist ein Prozent mehr als der Nato-Schnitt.
Kiew wies die Vorwürfe als „Fantasie“ und Provokation zurück. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko reagierte und versetzte Soldaten an der faktischen Grenze zur Krim in erhöhte Gefechtsbereitschaft.
Bei dem Sicherheitsratstreffen in New York verteidigten Diplomaten der Konfliktparteien ihre jeweiligen Positionen. Nach der Sitzung am Donnerstag in New York sagte der russische UN-Botschafter Witali Tschurkin, er habe eine Erklärung des Moskauer Außenministeriums verlesen, in der Besorgnis und Empörung „über diesen Versuch terroristischer Sabotage auf dem Gebiet der Republik Krim“ zum Ausdruck gebracht werde.
Er hoffe, die Ukraine sei klug genug, eine weitere Eskalation zu vermeiden, äußerte aber Zweifel, dass dies der Fall sein werde. Der ukrainische UN-Botschafter Wolodymyr Jeltschenko äußerte seinerseits Besorgnis über rund russische 40 000 Soldaten, die in der Nähe der Grenze zusammengezogen worden seien. „Diese Zahlen könnten auf einige sehr schlechte Absichten hindeuten“, sagte er. Er hoffe, die Diskussion werde dazu beitragen, dass Russland verstehe, dass es sich nicht weiter derartig verhalten könne.
Die Auswirkungen der Russland-Sanktionen auf deutsche Branchen
Der wichtige Industriezweig leidet besonders stark unter dem Einbruch des Russland-Geschäfts - denn die Branche ist für mehr als ein Fünftel (2014: 22 Prozent) aller deutschen Ausfuhren in das Riesenreich verantwortlich. 2014 brachen sie um 17 Prozent ein. Damit ging Geschäft im Volumen von 1,3 Milliarden Euro verloren. Russland fiel damit in der Rangliste der wichtigsten Abnehmerländer auf Rang zehn zurück. 2013 war das Land noch der viertgrößte Absatzmarkt für den deutschen Maschinenbau. In diesem Jahr setzt sich der Trend fort: Allein bis Mai gingen die Exporte um 30 Prozent zurück.
Die deutsche Elektroindustrie hat 2014 soviel Waren ins Ausland geliefert wie nie. Insgesamt kletterten die Exporte um 4,9 Prozent auf den Rekordwert von 165,5 Milliarden Euro. Und das, obwohl das Russland-Geschäft um 1,2 Milliarden Euro geringer ausfiel als 2013 - und damit die mit Abstand größte Belastung des Exportwachstums der Branche war.
Der russische Automarkt brach im vergangenen Jahr um zehn Prozent ein. Das trifft nicht alle deutschen Hersteller gleichermaßen. Für Daimler ist Russland nur ein vergleichsweise kleiner Markt. Europas größter Autobauer Volkswagen muss dagegen spürbare finanzielle Einschnitte in Kauf nehmen. Der Autobauer Opel stellt wegen der Absatzkrise sein Geschäft auf dem einstigen Hoffnungsmarkt bis zum Jahresende komplett ein.
Gelitten hat auch die deutsche Textilindustrie. Der Gesamtverband Textil und Mode spricht von einem Exportminus von zwölf Prozent. Für den Hemdenhersteller Olymp ist Russland inzwischen nur noch der zweitgrößte Markt. Dem Hemdenhersteller macht unter anderem der schwache Rubel zu schaffen, der seine Produkte vergleichsweise teurer macht.
Russland galt lange als wichtigster Absatzmarkt für deutsche Agrar- und Lebensmittelexporteure außerhalb der EU. Schon vor den Sanktionen erschwerten nach Angaben des Verbandes BVE aufwendige Einfuhrvorschriften sowie Handelshemmnisse und Betriebssperrungen das Exportgeschäft. 2013 seien die Agrarausfuhren um 14,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gesunken, Lebensmittelexporte um 16 Prozent. 2014 habe sich der Rückgang wegen des russischen Importverbotes verschärft. Die Agrarexporte brachen 2014 um 28 Prozent ein, die Lebensmittelexporte um 32 Prozent.
Putin besprach am Donnerstag auf einer Sitzung mit seinem nationalen Sicherheitsrat zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen für die Halbinsel. Am Vortag hatte er den Sinn geplanter Gespräche über eine Umsetzung des Minsker Friedensabkommens für die Ostukraine infrage gestellt. Die Verhandlungen mit der Ukraine, Frankreich und Deutschland sollen im September am Rande eines Treffens der Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer in China geführt werden.
Auch Poroschenko traf sich mit seinen Topsicherheitsberatern, um die weiteren Schritte zu besprechen.
Das US-Außenministerium äußerte seine Besorgnis über die neuen Spannungen. Beide Seiten müssten von jeglichen Aktionen und Worten absehen, die die Lage auf der Krim eskalieren lassen könnten, mahnte Sprecherin Elizabeth Trudeau. So sei die Situation vor Ort ohnehin sehr angespannt und gefährlich.
Russland hatte die Krim nach dem Sturz der moskaufreundlichen Regierung in Kiew in einem hastig anberaumten Referendum 2014 annektiert. Auch in der Ostukraine griffen prorussische Kämpfer daraufhin zu den Waffen, um einen Anschluss an Russland zu erreichen. Die ukrainischen Streitkräfte stellten sich mit voller militärischer Gewalt dagegen. Mehr als 9500 Menschen kamen seitdem ums Leben. Ein im vergangenen Jahr vereinbarter Waffenstillstand für die Ostukraine wurde immer wieder gebrochen.