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Krise in der Ukraine Mit Volldampf in den Staatsbankrott

Der Rücktritt der Regierung in der Ukraine ist politisch richtig und notwendig. Ökonomisch droht aber ein Chaos im Vakuum, das auch für die EU teuer werden kann.

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Regierungskoalition in der Ukraine zerbricht


„Politischen Selbstmord“ nannte Arsenij Jazenjuk die Übernahme der Regierungsverantwortung, als er Ende Februar den Posten des Interims-Premierministers übernahm. Jetzt hat der 40-jährige Ökonom, der in der Außenwirkung eher hölzern daherkommt, einen Suizidversuch unternommen: Nach einer absehbaren Koalitionskrise gab Jazenjuk am Donnerstagabend den Rücktritt der Regierung bekannt. Im Oktober soll nach vorgezogenen Parlamentswahlen eine neue Regierung gebildet werden – bis dahin übernimmt Vizepremier Wladimir Groisman den Job. Der gilt als Buddy des pro-europäischen Präsidenten Petro Poroschenko, der im Mai mit überraschend klarer Mehrheit ins Amt gewählt worden war.

Politisch ist der Rücktritt richtig und überfällig. Die aktuelle Regierung geht aus einem Putsch hervor. Ex-Präsident Viktor Janukowitsch war im Februar mitsamt der halben Regierung von der Maidan-Bewegung ins russische Exil gejagt worden – nach monatelangen teils blutigen Protesten gegen systematische Korruption und Vetternwirtschaft. Seither fehlt der Interims-Regierung allerdings die Legitimation, ihrem Kurs in Richtung Europa ebenso. Zumal in der Regierung drei Personen saßen, die der rechtsradikalen Partei „Swoboda“ angehören. Die hatten den „Maidan“ mitgetragen, erwiesen sich in der Regierung aber als Totalausfälle und moralischen Ballast.

Mit Neuwahlen haben die Ukrainer die Chance, einer neuen Regierung demokratische Legitimität zu verschaffen – und ihr Land des Einflusses des „rechten Sektors“ zu entledigen. Auf dessen Existenz hatten russische Medien ihre unsinnigen Behauptungen gestützt, in Kiew regiere eine „faschistische Junta“, die die Russen bedrohe. Derlei Propaganda wurde faktisch schon mit dem Präsidentschaftswahlen entkräftet, als weniger als drei Prozent der Wähler „rechts“ wählten. Die Wahlen zur „Werchowna Rada“, dem Parlament, dürften die Nationalisten weiter marginalisieren.

Ökonomisch indes ist der Rücktritt ein Risiko: Zunächst hat die Regierung einen ordentlichen Job gemacht, indem Hürden für Investoren abgebaut und Prozesse vereinfacht wurden – etwa bei der Zertifizierung von Lebensmitteln oder im Steuerwesen. Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) zeigte sich zuletzt mit dem Sparprogramm der Regierung zufrieden, nachdem die Währung freigegeben und Bürokratie abgebaut wurde. Im Kampf gegen Korruption, heißt es, kam aber auch die Jazenjuk-Regierung nicht voran. Zuletzt scheiterte auch ein Gesetzt zur Privatisierung der Gas-Infrastruktur zweimal im Parlament, was den Bruch der Koalition zur Folge hatte.

Jetzt droht allerdings ein gefährliches Vakuum: Es ist fraglich, ob sich Reformen zur Verbesserung des Investitionsklimas durchsetzen lassen, auch die fiskalische Rosskur steht infrage. Ohne Druck von oben dürften auch die Schmiergeldforderungen im durch und durch korrupten Beamtenapparat weiter wuchern. Im schlimmsten Fall steuert die Regierung ziel- und kopflos auf den Herbst zu, der haarig wird. Bis dahin dürfte der teure Krieg gegen Separatisten und russische Söldner in der Ost-Ukraine tiefe Löcher in den Haushalt reißen. Schwer belasten werden Staat und Unternehmen auch die hohen Preise für Gas, das zum Winter hin weiter im großen Stil von Russland bezogen werden muss.

Schon jetzt zeichnet sich ab, dass die Ukraine trotz der Notkredite in Höhe von fast 30 Milliarden Dollar bald wieder am Rande des Staatsbankrotts taumelt – und der Westen in Gestalt von EU, USA, IWF und Weltbank den Staat mit seinen 40 Millionen Einwohnern auffangen müssen. Das wird teuer.

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