Krise in der Ukraine Redet mit Russland!

Der Westen muss die Ukraine verloren geben – und schleunigst überlegen, wie man dem Kreml Grenzen setzen kann. Das geht nur, indem man mit Putin redet statt ihn zu verteufeln.

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Mehr als 1,8 Millionen Krim-Bewohner aufgerufen, in einem Referendum über den Anschluss an Russland abzustimmen. Quelle: dpa

Ob es uns passt oder nicht – die Krim wird an diesem Sonntag russisch. Es wird sich zeigen, ob sie künftig ein föderales Subjekt Russlands sein wird oder sich Kreml-Chef Wladimir Putin die Halbinsel als Faustpfand gegen die EU-Integration der Ukraine hält: Ein aus russischer Sicht formal unabhängiger Zankapfel im interterritorialen Schwebezustand.
Sofern der Westen keine Marschflugkörper gen Russland aufsteigen lässt, wird Europa zähneknirschend akzeptieren müssen: Putin greift nach fremden Territorien. Daher sollten sich deutsche und europäische Politiker nicht zu lange mit ihrer allgemeinen Empörung und ein paar symbolischen Sanktionen wie den Einreiseverboten aufhalten – sondern über die künftige Politik gegenüber Russland nachdenken: Wie kann es dem Westen gelingen, dass sich Russland unter Putin an die Regeln des Völkerrechts und die territoriale Integrität fremder Staaten hält.
Bisweilen wird Putin als Dämon betrachtet, der den Blick für die Realität verloren hat. Der 60-Jährige sei ein Fall für die Klapsmühle, gefangen in der Paranoia eines längst vergangenen Ost-West-Konflikts. In Wahrheit ist „WWP“ vermutlich strategisch dreimal raffinierter als jeder Außenpolitiker in Europa: Er weiß genau, wie weit er den Westen reizen kann – die Krim-Annexion beweist dies.
Russland hat handfeste Interessen. An vorderster Stelle steht die Verhinderung der militärischen Umkreisung, mit der die Nato über ihre drei Osterweiterungen begonnen hat. Selbst wenn jeder Politiker im Westen hoch und heilig schwört, dass eine Nato-Erweiterung nicht gegen Russland gerichtet ist – der im Kalten Krieg sozialisierte Putin nimmt das so wahr. Niemand wird ihm diese Wahrnehmung ausreden können. Das muss man akzeptieren.

Für die Nato ist die Ukraine militärstrategisch nicht relevant. Niemand braucht die beiden fahrtüchtigen Kriegsschiffe, die unter blau-gelber Flagge Dienst tun. Für Russland indes ist es entscheidend, dass die Nato an den Grenzen zur ehemaligen Sowjetunion halt macht. Beides lässt sich prima in Einklang bringen: Auf der einen Seite sichert der Westen den Russen vertraglich zu, auf eine Nato-Erweiterung um die Ukraine zu verzichten. Umgekehrt verspricht der Kreml per Unterschrift, künftig die Grenzen zu achten. Die Krim wird man so nicht in der Ukraine halten können – aber das wäre der Preis für deren EU-Kurs.

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