Natürlich funktioniert solch ein Deal nur, wenn ein Verstoß sanktioniert würde. Dazu könnte die unmittelbare Nato-Erweiterung im Falle weiterer Angriffe auf die territoriale Integrität zählen. Sicher keine Wirtschaftssanktionen, denn die treffen die Wirtschaft im Westen ebenfalls. Russland indes würde auf ein militärisches Anpirschen des Westens – was ein Raketenschild in Polen und Tschechien einschließt – mit dem Aufwiegeln russischer Minderheiten in Nachbarstaaten beginnen.
Schon auf der Krim führt Moskau als Rechtfertigung für Interventionen ins Feld, was Außen- und Sicherheitspolitiker im Westen als „Responsibility to protect“ bezeichnen, kurz R2P. Das bezeichnet die Verpflichtung einer werteorientierten Außenpolitik, jenseits der eigenen Grenzen für den Schutz der Menschenrecht einzugestehen – was etwa im Kosovokrieg geschehen ist, dem Attacken der serbischen Armee auf die kosovarische Minderheit vorausgingen. Der Autokrat Wladimir Putin nimmt sich hierbei die Freiheit hinaus, die Gefahren für die Landsleute selbst zu konstruieren. In Kiew patrouillieren keine Faschisten, wie das russische Fernsehen die Bürger glauben lässt, vor allem hat es keine Angriffe auf russische Staatsbürger in der Ukraine gegeben.
Gleichwohl fehlen klare Regeln für „R2P“: Was bezeichnet diese Verantwortung? Unter welchen Bedingungen darf die internationale Staatengemeinschaft im Ausland eingreifen? Und was ist überhaupt ein Völkermord? Es wäre ein dickes Brett zu bohren – aber letztlich muss die internationale Staatengemeinschaft all dies klar definieren. Sonst kommt es immer wieder zur selektiven Auslegung der Regeln. Verhindern kann man dies nur, wenn man mit Putin im Gespräch bleibt und versucht, seine Reaktionen zu antizipieren. Es hilft dagegen nicht weiter, den Kremlchef zu verteufeln. Er wird uns noch lange erhalten bleiben – ob wir es wollen oder nicht.