Kritik an Erdogan Der Spion im Klassenzimmer

Der türkische Staatspräsident ist nicht besonders offen für Kritik. Egal von wem sie kommt. Jetzt sollen die türkischen Konsulate in NRW Lehrer und Eltern angestiftet haben, als Spitzel für die Regierung zu spionieren.

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Recep Tayyip Erdogan ist offenbar jedes Mittel recht, um Regimekritiker kalt zu stellen. Quelle: dpa

Düsseldorf Wenn der türkische Staatschef an seinem Image arbeitet, greift er nicht selten auf Methoden zurück, die sich mit dem deutschen Verständnis eines Rechtsstaats nicht so gut vereinbaren lassen. Vergangene Woche Dienstag war „Welt“-Journalist Deniz Yücel als erster deutscher Journalist seit Beginn des Ausnahmezustandes in der Türkei in Polizeigewahrsam genommen worden. Nun soll Erdogan offenbar auch auf deutschem Boden versuchen, Kritiker einzuschüchtern.

Der Vorwurf: Türkischstämmige Schüler sollen ihre Lehrer heimlich filmen. Wenn die Lehrer Kritik am Regime um Staatschef Erdogan äußern, sollen die Schüler die Aufnahmen an die türkischen Behörden weiterleiten. Passieren soll das ganze nicht in der Türkei, sondern in Deutschland, in Nordrhein-Westfalen (NRW). Das berichten die Zeitungen der Funke Mediengruppe und beziehen sich dabei auf Informationen der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW).

Demnach soll es bereits Ende Januar in mehreren türkischen Konsulaten in NRW entsprechende Info-Veranstaltungen für Lehrer- und Elternvereine gegeben haben. „Wir haben aus unterschiedlichen Quellen erfahren, dass die Teilnehmer dazu angehalten wurden, den Generalkonsulaten jede Kritik an der türkischen Regierung, die in NRW-Schulen beobachtet wird, zu melden“, zitieren die Zeitungen den stellvertretenden GEW-Landesvorsitzenden Sebastian Krebs.

Die Konsulate haben sich bisher nicht zu den Vorwürfen geäußert. Die Landesregierung wisse jedoch bereits seit dem 15. Februar von den Vorwürfen, berichten die Zeitungen der Funke Mediengruppe. Justiz- und Sicherheitsbehörden hätten die Konsulate bereits zu einer Stellungnahme aufgefordert.

Unterdessen wächst die Kritik am angekündigten Wahlkampfauftritt von Staatspräsident Erdogan. Eine solche Kundgebung sei unerwünscht, schrieb der CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt in einem Gastbeitrag für den „Weser-Kurier“. „Jeder Versuch, den tiefgreifenden türkischen Konflikt nach Deutschland zu tragen, müssen wir konsequent unterbinden“, so Hardt. Der nordrhein-westfälische CDU-Landtagsabgeordnete Serap Güler kritisiert in einer kleinen Anfrage an die Landesregierung: „Innertürkische Konflikte dürfen nicht in Nordrhein-Westfalen ausgetragen werden.“ Er möchte wissen, ob NRW-Integrationsminister Rainer Schmeltzer bereits mit den türkischen Generalkonsulaten in NRW über einen möglichen Erdogan-Besuch gesprochen habe.

Erst am Samstag war der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim vor 10.000 Menschen in Oberhausen aufgetreten, um für die umstrittene Verfassungsreform zu werben, durch die Erdogan deutlich mehr Macht bekommen soll. Direkt im Anschluss hatte Yildirim angekündigt, dass auch Erdogan für einen Werbeauftritt nach Europa kommen werde. In welcher Stadt sei noch nicht klar. „Aber es laufen Vorbereitungen.“ Die Bundesregierung hatte Anfang der Woche keine Kenntnisse von derartigen Plänen Erdogans in Deutschland. Regierungssprecher Steffen Seibert hatte am Montag in Berlin gesagt, ein „konkreter Wunsch Erdogans“ sei der Regierung nicht bekannt.

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