Kritik an Warschau EU-Kommission erhöht im Streit um Rechtsstaat Druck auf Polen

Die EU soll stärker gegen die Justizreformen in dem Land vorgehen. Auch die Einleitung weiterer Vertragsverletzungsverfahren beim Europäischen Gerichtshof werde erwogen.

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Laut dem zuständigen EU-Kommissar für Justiz und Rechtsstaatlichkeit, Didier Reynders, soll sich der (EU-) Ministerrat weiter mit dem Rechtsstaatsverfahren nach Artikel 7 gegen Polen befassen. Quelle: Reuters

Die EU-Kommission will im Streit um den Rechtsstaat in Polen den Druck auf die Regierung in Warschau erhöhen. „Die Situation des Rechtsstaats in Polen verschlechtert sich zusehends, wir haben eine eindeutig negative Entwicklung zu verzeichnen. Die polnische Regierung reagiert auf die Einwände der EU-Kommission nicht konstruktiv, und sie hat bisher keine Absicht gezeigt, die Unabhängigkeit der Justiz wiederherzustellen“, sagte der zuständige EU-Kommissar für Justiz und Rechtsstaatlichkeit, Didier Reynders, der Zeitung „Welt“ in einem Vorab-Bericht (Mittwochsausgabe).

Als konkrete Maßnahmen kündigte er an, dass sich der (EU-) Ministerrat weiter mit dem Rechtsstaatsverfahren nach Artikel 7 gegen Polen befassen werde, möglicherweise noch vor Jahresende. Gleichzeitig werde die Einleitung weiterer Vertragsverletzungsverfahren beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) gegen Polen erwogen. Eine Gesellschaft könne „nicht ordnungsgemäß funktionieren, wenn die Justiz nicht unabhängig ist“. Auch der EU-Binnenmarkt sei beeinträchtigt, wenn sich ein Land nicht an die Regeln des Rechtsstaats halte. „Was in Polen passiert, geht alle Europäer an“, sagte Reynders weiter.

Vor dem Hintergrund der Abtreibungsdebatte in Polen kritisiert Reynders das polnischen Verfassungsgericht: „Wir haben große Zweifel an der Legitimität und Unabhängigkeit des Verfassungsgerichts in Polen. Ein Verfassungsgericht, das nicht unabhängig ist, legt das Gesetz genauso aus wie die Regierungspartei.“ Das führe zu Misstrauen und „einem gewissen Ohnmachtgefühl“ in der Bevölkerung.

Die EU-Kommission kann mit einem sogenannten Artikel-7-Verfahren, Ermittlungen gegen EU-Staaten einleiten, wenn sie im Verdacht stehen, gegen Grundprinzipien der Union zu verstoßen. Gegen Polen läuft seit 2017 bereits ein solches Verfahren, an dessen Ende der Entzug der Stimmrechte für das betroffene Land im Rat stehen kann. Die Hürden dafür sind allerdings sehr hoch, da alle anderen 27 Länder zustimmen müssen. Auch sollen EU-Staaten, die gegen Vorschriften verstoßen, keine oder weniger EU-Zahlungen erhalten.

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