Kuba nach dem Tod Castros Ein Land zwischen Trauer und Hoffnung

Meist ist es still auf Kuba. Nach dem Tod von Fidel Castro soll das Land neun Tage lang trauern: Keine Musik, kein Alkohol. Die Polizei geht gegen Verstöße vor. Doch nicht alle Kubaner sind wirklich traurig.

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Tausende nehmen an einer Trauerfeier um Fidel Castro in Havana teil. Quelle: dpa

Havanna Der Taxifahrer dreht den Knopf nach rechts und laute spanische Musik dröhnt aus den Lautsprechern des rosafarbenen Oldtimer-Cabrios. Ein Polizeiauto erscheint. Der junge Mann soll die Musik ausmachen. Er dreht ab, sie fahren weiter, er dreht wieder auf. „Fidel ist tot, aber ich lebe noch“, sagt er.

Mit Fidel Castro starb die Musik auf Kuba. Neun Tage Staatstrauer wurden für den am Freitag verstorbenen Ex-Präsidenten und Revolutionsführer verordnet. Keine Musik, kein Alkohol. Die Polizei kontrolliert. Doch nicht alle Kubaner tragen Trauer.

Am Dienstagabend sind es die, die sich gerne an Fidel Castro erinnern und ihm eine letzte Ehre erweisen, auf den Platz der Revolution in Havanna gekommen. Es ist der Auftakt einer Reise durch das Land, bei dem sich die Kubaner von Castro verabschieden können.

Auch diverse Staatsoberhäupter sind gekommen, vor allem aus lateinamerikanischen und afrikanischen Ländern. Mehr als zwei Stunden geben Sie sich das Mikrofon in Hand, loben den Revolutionsführer als charismatischen Mann, der besonderes erreicht hat. Aber auch viele junge Kubaner stehen auf dem Platz, schwenken die Nationalflagge. Schüler haben sich „Viva Fidel“ auf die Wangen geschrieben. Es lebe Fidel. Sonst bleibt die Stimmung während der Reden ruhig, nur ab und an rufen Sie „Viva“. Erst bei der Rede von Raúl Castro, Bruder und Nachfolger von Fidel, nimmt die Menge wieder bewegt an seiner teil.

Der junge Mann im Einkaufszentrum ist der Veranstaltung ferngeblieben. Zumindest war das sein Plan am Abend vorher. Er ist nicht traurig über Castros Tod. Im Gegenteil, er hofft auf Veränderung. Umgerechnet rund 20 Euro verdient er im Monat im Staatsdienst. Das ist auch in der Planwirtschaft Kuba nicht viel.

Er hofft, dass Fidels Bruder Raúl, der seit seinem Rücktritt 2006 Präsident Kubas ist, das Land modernisieren wird. Immerhin dürfen Kubaner seitdem etwa ein Haus und ein Auto besitzen und reisen, solange sie eingeladen werden. Auch durften private Unternehmen gegründet werden.


Fidel-Castro-Reportagen auf Dauerschleife

Doch der bei Touristen beliebten marode Charme des Landes ist eben: marode. Was sich gut für Postkarten und Erinnerungsfotos eignet ist die Lebenswelt derer, die dort wohnen. Hundert Jahre alte Häuser, von denen nur noch die Fassaden stehen. Die Oldtimer, für die es kaum noch Ersatzteile zu bekommen sind und deswegen auch mit gesprungener Frontscheibe weiter genutzt werden. Die Tabakfarmen, deren Bauern 90 Prozent ihrer Ernte an den Staat abgeben müssen, und sonst in einfachsten Verhältnissen leben.

Das Lebensgefühl der Kubaner scheint zunächst davon unbeeindruckt, doch auf Nachfrage äußern einige Unzufriedenheit. Das gehe überhaupt erst seit einigen Jahren, sagt einer. Vorher habe man aus Angst vor Repressionen geschwiegen.

Im Fernsehen laufen Fidel-Castro-Reportagen auf Dauerschleife. Unerwartet kam der Tod des 90-Jährigen nicht. Die Pressefreiheit auf Kuba wurde nach der Revolution von Beobachtern als unfrei kritisiert. Seit dem Ende der Sowjetunion hatte das Land lange wegen eines Handelsembargo kaum internationale Unterstützung. Es musste sich selbst versorgen, nachdem es vorher hauptsächlich Zuckerrohr angebaut hatte.

Fidel Castro habe sich lange um andere Probleme, als die wirtschaftlichen gekümmert, erzählte der Taxifahrer auf dem Weg nach Havanna. Er hat Krankenhäuser gebaut, die Schulbildung verbessert, die Kriminalitätsrate gesenkt. Der Taxifahrer hofft, dass Raúl sich nun um die Wirtschaft kümmern wird. Schließlich könne es mit besser werden. Selbst wenn die USA unter einem Präsidenten Trump kein neuer Handelspartner wird. „Wir haben ja nichts zu verlieren“, meint der Castro-Freund. „Entweder es wird besser oder nicht.“

Als am Dienstagabend die Veranstaltung pünktlich um sieben Uhr anfängt, zücken die Kubaner auf dem Platz der Revolution ihre Smartphones. Nicht einzelne, sondern zu Hunderten. Sie rufen Fidel und filmen sich dabei. Es hat sich bereits einiges verändert auf Kuba.

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