Bei näherer Betrachtung zeigt sich auch hier: Die US-Investition, die 700 Stellen schaffen soll, ist Teil einer längst bekannten Offensive bei Zukunftstechnologien wie Roboterautos und Elektroantrieben. Die Entscheidung gegen das Werk in Mexiko ist der eingebrochenen Nachfrage nach dem Kleinwagen Focus geschuldet, der dort gebaut werden sollte. Die Fertigung des Modells wird auch so ins benachbarte Niedriglohnland ausgelagert, es ist nur keine neue Fabrik nötig.
Die entscheidendere Frage ist indes: Was hat Trump neben diesem ganzen Klein-Klein in petto, um das Wachstum zu befeuern und den kriselnden Branchen Jobs zu verschaffen? Der Plan, soweit bislang umrissen, sieht neben einem auf Pump finanzierten Konjunkturpaket und drastischen Steuersenkungen für Unternehmen und Haushalte eine massive Lockerung der Regeln im Finanzsektor und anderen Wirtschaftszweigen vor. Dazu setzt Trump mit seiner Devise „Amerika zuerst“ auf einen Bruch mit der US-Tradition des freien Handels.
Mit der Drohung von Strafzöllen in Höhe von 35 Prozent mag Trump Unternehmen wie BMW oder Fiat Chrysler einen gehörigen Schrecken einjagen. Doch brisant ist das Säbelrasseln nach Einschätzung von Ökonomen vor allem auf volkswirtschaftlicher Ebene. Trumps Ansatz sei potenziell verheerend und könne zu einem ausgewachsenen Handelskrieg führen, warnen die Wirtschaftsforscher vom Peterson Institute of International Economics (PIIE). Millionen von US-Jobs - insbesondere geringer qualifizierte und niedriger bezahlte Stellen - wären durch Trumps Pläne gefährdet, so das Ergebnis der PIIE-Studie.
Während Trump auf Abschottung setzt und Freihandelsabkommen neu verhandeln oder beerdigen will, reibt man sich anderswo die Hände. Trump droht China, dem wichtigsten Handelspartner und größten Anleihegläubiger der USA, wegen angeblich unfairen Wettbewerbs. Doch Peking trommelt bereits aufstrebende Schwellenländer für eigene Handelspakte zusammen, so dass sich die USA mit einer Konfrontation ins eigene Fleisch schneiden könnten. „China und die anderen Nationen entwickeln ihre eigenen Initiativen, sie warten nicht auf Trump“, meint Joshua Kurlantzik vom Council of Foreign Relations.
Fest steht: Das von Trump versprochene Comeback der „Old Economy“ wäre ein Kunststück. Denn viele der verlorenen US-Jobs im Verarbeitenden Gewerbe sind nicht zu den gescholtenen Billiglöhnern im Ausland abgewandert, sondern durch unumkehrbare Trends wie Automatisierung und Digitalisierung obsolet geworden.
Was das Ausland von Trump erhofft und erwartet
Am 20. Januar soll Donald Trump sein Amt als 45. Präsident der USA antreten. Das sind die damit verbundenen Hoffnungen, Erwartungen und Sorgen wichtiger Länder und Gemeinschaften.
Quelle: dpa
Eine enge Zusammenarbeit im Kampf gegen den Klimawandel und den islamistischen Terrorismus, ein gemeinsamer Kurs in der Sanktionspolitik gegenüber Russland sowie eine Fortsetzung der Verhandlungen über das Handelsabkommen TTIP: Was sich die Europäische Union vom neuen US-Präsidenten erhofft, bekam Trump bereits kurz nach seiner Wahl in einem Brief aus Brüssel übermittelt. Nicht offen wird dagegen über die Sorgen gesprochen. Hinter vorgehaltener Hand befürchten EU-Spitzenpolitiker, dass die Erwartungen Europas den neuen US-Präsidenten nicht wirklich interessieren. Folge könnte eine deutliche Verschlechterung der transatlantischen Beziehungen sein.
Das Verhältnis zwischen Moskau und Washington ist so schlecht wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Deshalb hofft Russland, dass Trump sein Versprechen wahr macht und die Beziehungen wieder verbessert. Die Zeichen stehen auf ein Treffen Trumps mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin kurz nach Amtsantritt. Weil der Republikaner das Engagement der USA im Rest der Welt verringern will, geht Russland davon aus, mehr Spielraum zu bekommen. Trump sieht Nato und EU kritisch, er will den islamistischen Terror stärker bekämpfen - beides passt zur Moskauer Position. Allerdings haben die Russland zugeschriebenen Hackerangriffe massiv den Verdacht geschürt, dass Moskau sich in US-Politik einmischen könnte. Trump und Putin müssen bei jeder Annäherung mit großem öffentlichem Misstrauen rechnen.
Die Mexikaner machen sich für die Ära Trump auf das Schlimmste gefasst. Der künftige US-Präsident hatte die Nachbarn im Süden mehrfach als Drogenhändler und Vergewaltiger diffamiert. Um die illegale Einreise von Migranten zu verhindern, will Trump eine Mauer an der Grenze zu Mexiko errichten. Außerdem hat er angekündigt, das Nordamerikanische Freihandelsabkommen (Nafta) neu zu verhandeln oder sogar aufzukündigen. Die mexikanische Wirtschaft hängt stark vom Handel mit den USA ab. Der Autokonzern Ford beerdigte bereits Investitionspläne in Höhe von 1,6 Milliarden Dollar in Mexiko - offenbar aus Angst vor Trump. US-Unternehmen, die billig im Nachbarland produzieren, hatte er mit hohen Strafzöllen gedroht.
Den ohnehin schwierigen Beziehungen zwischen den beiden größten Volkswirtschaften drohen unter Trump schwere Spannungen, die auch die Weltwirtschaft in Mitleidenschaft ziehen könnten. Der neue US-Präsident holte China-Kritiker in sein Team, die eine härtere Gangart gegen Peking erwarten lassen. Die kommunistische Führung fürchtet eine Neuausrichtung der US-Beziehungen zu Taiwan, das Peking nur als abtrünnige Provinz behandelt. Mit einer Eskalation wird auch im Handel gerechnet, falls Trump seine Drohung mit Strafzöllen wahr machen sollte. Das Verhältnis wird zudem dadurch bestimmt, wie beide mit den Inselstreitigkeiten im Süd- und Ostchinesischen Meer umgehen.
Für den Iran ist es in erster Linie wichtig, was aus dem Atomabkommen wird. Obwohl auch die USA den Deal von 2015 mit ratifiziert hatten, drohte Trump bereits mehrmals mit einem Ausstieg. Präsident Hassan Ruhani bezeichnete das multilaterale Abkommen als unantastbar. Auch eine Nachverhandlung kommt für Teheran nicht infrage. Falls Trump sich nicht an den Deal halten sollte, werde auch Teheran angemessen reagieren, warnte Ruhani. Andererseits hofft der Iran auf eine Verbesserung der Beziehungen zwischen der neuen US-Regierung und Moskau. Als enger Verbündeter Russlands könnte davon auch Teheran, besonders im Syrien-Konflikt, außenpolitisch profitieren.
Israel zählt schon die Tage bis zum Amtsantritt von Trump. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erwartet nach dem eher schwierigen Verhältnis zu Präsident Barack Obama ein Umschwenken in der Israelpolitik der USA. Dazu gehört der Umzug der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem. Trump kündigte mehrfach an, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen. Beim Ausbau der Siedlungen im Westjordanland hoffen die ultrarechten Kräfte in der Regierung auf mehr Bewegungsfreiheit, nachdem die USA zuletzt eine siedlungskritische UN-Resolution passieren ließen. Einige fordern, das Westjordanland zumindest teilweise zu annektieren.
Für den renommierten Ökonomen Nouriel Roubini ist der Fall klar: „Trumps Wirtschaftspolitik macht keinen Sinn.“ Im Interview des Senders CNBC sagte der wegen seiner frühen Warnung vor der letzten großen Finanzkrise „Doctor Doom“ genannte Experte jüngst, er rechne in den nächsten anderthalb Jahren mit dem Verlust von rund 400.000 Arbeitsplätzen in der US-Industrie.