Kurden im Irak Die Macht des Öls

Die Kontrolle über die nordirakische Stadt Kirkuk wollen die Kurden auf keinen Fall wieder abgeben. Aus gutem Grund. Denn wer die Stadt regiert, hat die Macht über das Öl. Die wollen sie nutzen.

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Wer die Macht über das Öl hat, kann noch viel mehr bestimmen. Nun kontrollieren die Kurden die Ölstadt Kirkuk. Quelle: ap

Düsseldorf Sandwälle, Gräben, Straßensperren, in aller Eile errichtet. Barrieren rund um Kirkuk, im Norden Iraks, 250 Kilometer nördlich von Bagdad. Eine provisorische Grenze, wo in Zukunft eine wirkliche Grenze verlaufen soll. Wenigstens wenn es nach Massud Barsani geht. Denn das ist es, was Präsidenten der kurdischen Autonomieregierung im Norden des Landes, tatsächlich will: einen autonomen kurdischen Staat.

„Ein eigener Staat ist ein natürliches Recht der Kurden“, sagte Barsani in einem Interview mit der BBC. Und betont: Die Kontrolle über Kirkuk, die kurdische Peschmerga-Kämpfer im Juni besetzt hatten, würden sie nicht wieder abgeben. Kein Wunder. Denn Kirkuk könnte der Schlüssel für die Autonomie der Kurden sein. Die Stadt ist vor allem für eins bekannt: Öl. Und Öl bedeutet Macht.

Während die Lage im Irak immer undurchsichtiger wird, die Milizen der Terrororganisation Islamischer Staat im Irak und in Syrien (Isis) weiter wüten und der Irak um eine neue Regierung ringt, profitieren die Kurden von Chaos im Land. „Der schnelle Feldzug der Terrorgruppe Isis ist dafür geeignet, die Position der Kurden weiter zu festigen“, sagt Henner Fürtig, Vizepräsident des German Institute for Global and Area Studies (Giga) Handelsblatt Online.

Während die Terrormiliz weite Teile des Landes unter ihre Kontrolle gebracht hat, scheint das Gebiet der Kurden im Norden ein Hort der Stabilität geblieben zu sein – zumindest den Umständen entsprechend. Die kurdische Peschmerga-Miliz hat nicht nur die Kurden-Gebiete gegenüber Isis verteidigen können, sondern die fundamentalistische Terrorgruppe sogar noch in anderen Gebieten zurückdrängen können. Wie eben aus der Stadt Kirkuk.

Jetzt wollen die Kurden die Erdölexporte aus den von ihnen kontrollierten Gebieten deutlich erhöhen – auch wenn sie damit einen Konflikt mit der Zentralregierung in Bagdad riskieren, die bislang die Ölgeschäfte eigenmächtig verwaltet hat. Die Ausfuhren könnten bis Ende 2015 verachtfacht werden, sagte der Rohstoffminister der im Nordirak gelegenen Autonomen Region Kurdistan, Aschti Haurami.

„Wir rechnen damit, dass wir eine Million Barrel pro Tag bis Ende nächsten Jahres exportieren können, einschließlich Rohöl aus Kirkuk“, sagte Haurami. Die kurdische Führung werde die Einnahmen mit der Zentralregierung in Bagdad teilen. „Wir wollen mit Bagdad auf Basis der Verfassung zusammenarbeiten, und sie werden ihren Anteil an den Ölexporten aus Kirkuk erhalten“, verspricht Haurami.


„Wir haben heute eine neue Realität“

Bislang haben die Kurden von den reichen Öleinnahmen des Landes nur wenig abbekommen. „Laut irakischer Verfassung hätten den Kurden 17 Prozent aller irakischen Öleinnahmen zugestanden. Praktisch kamen aber nur elf Prozent an“, sagt Günter Seufert von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) Handelsblatt Online. Die Kurden im Norden haben jetzt selber damit angefangen, Öl an die Türkei, oder über die Türkei an die Weltmärkte zu verkaufen. Nun muss die Zentralregierung in Bagdad darauf hoffen, dass die Kurden einen Teil der Öleinnahmen an sie weiterreicht.

Die mehr als 40 Millionen Kurden sind heute die weltweit größte Volksgruppe ohne eigenes Staatsgebiet. Nach dem Ende des Osmanischen Reiches leben sie heute in der Türkei, Syrien, dem Irak und Iran und kämpfen dort für mehr politische Autonomie.

Seit 2005 regiert im Nordirak eine autonome kurdische Regierung. Ihr Hauptsitz liegt in Arbil. „Die Region hat ein eigenes Parlament, eine eigene Wirtschafts-, Handels- und Außenpolitik“, erklärt Seufert. In diesen Bereichen herrsche eine relative Autonomie. Dennoch ist der kurdische Norden nicht völlig autark von der schiitischen Zentralregierung in Bagdad.

Die Kurden im Irak wollen aber noch mehr und zeigen neues Selbstbewusstsein. „Rohstoffe und Einnahmen müssen geteilt werden. Aber wir haben heute eine neue Realität“, sagt der Kurden-Rohstoffminister Aschti Haurami.

Die Kurden ließen sich nichts von einigen wenigen Leuten in Bagdad diktieren, die die Macht zentralisieren und einschüchtern wollten. „Wir brauchen ein föderales System, das auf einer Teilung von Macht und Einnahmen beruht“, forderte der Minister.

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