WirtschaftsWoche: Herr Karaschukejew, welchen Beitrag kann Kasachstan zur Versorgung der Welt mit Nahrungsmitteln leisten?
Jerbol Karaschukejew: Wir stehen beim Weizenexport weltweit auf Platz neun, bei Weizenmehl sogar auf dem ersten Rang und bei Ölsaaten wie Raps, Sonnenblumen und Lein an vierter Stelle. Kasachstan hat aber noch sehr viel Potenzial ...
Das ist ein Vielfaches von den gut 16 Millionen Hektar in Deutschland.
Ja, aber wir haben ein viel trockeneres Klima und viele Flächen werden noch nicht bewässert. 67 Millionen Hektar liegen derzeit sogar weitgehend brach oder werden von Viehherden extensiv beweidet, weil sich eine intensive Bewirtschaftung bisher nicht lohnt. Wir haben die größten Reserveflächen für die Welternährung. Aber was wir brauchen, sind Know-how und technische Mittel. Das erkennen Sie auch daran, dass bei uns der Flächenertrag bei Weizen zwischen 10 und 14 Dezitonnen pro Hektar liegt.
In Deutschland waren es zuletzt 70 Doppelzentner. Wie sehr könnten Sie den Ertrag steigern?
Realistisch wären 20 Prozent mehr Ertrag in den nächsten fünf Jahren. Damit wären wir zwar auch noch weit von den 50 Dezitonnen in der Ukraine entfernt, aber dort sind die Böden und Klimabedingungen auch viel besser.
Welchen Beitrag kann Deutschland zur Entwicklung der kasachischen Landwirtschaft leisten?
Ich habe darüber am Rande der Grünen Woche in Berlin mit Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir gesprochen. Was wir vor allem brauchen sind bilaterale Kooperationsprojekte in der Landtechnik und bei der Qualifizierung von Arbeitskräften, um insbesondere die Milch- und Pflanzenproduktion erhöhen und eine Verarbeitungsindustrie aufbauen zu können. Denn wegen der Transportschwierigkeiten lohnt es sich beim Export mehr, höherwertige, veredelte Agrarerzeugnisse auszuführen.
Sind Sie mit der Zusammenarbeit mit Deutschland zufrieden?
Wir führen gerade über 30 internationale Projekte im Volumen von 3,6 Milliarden US-Dollar durch. Der Anteil mit deutscher Beteiligung ist hier allerdings noch sehr gering. Trotzdem möchte ich die Kooperationen mit den deutschen Landmaschinenherstellern Claas und Deutz-Fahr loben. Und ich möchte auf die ausgesprochen attraktiven Investitionsbedingungen hinweisen. Dazu gehören bis zu 25 Jahre Steuerfreiheit.
Wohin exportiert Kasachstan seine Agrarprodukte?
Wir beliefern vor allem die anderen zentralasiatischen Staaten und China. Nach Europa geht relativ wenig Ware wegen der logistischen Probleme. Aber dafür handelt es sich um ausgesprochen hochwertige Ware. Italien bezieht von uns beispielsweise hervorragendes Pastamehl, rund 160.000 Tonnen im Jahr. Und da wir seit 30 Jahren kaum Pflanzenschutzmittel und Kunstdünger einsetzen, verfügen wir über viele Bioflächen und können beste Bioware liefern.
Ein großes Problem ist die Binnenlage Ihres Landes. Wie können Sie die Waren nach Europa transportieren?
Bisher ging vieles via Russland. Inzwischen nutzen wir verstärkt die transkaspische Route über Aserbaidschan. Ansonsten beliefern wir hauptsächlich unsere asiatischen Nachbarländer und leisten dort unseren Beitrag zur Ernährungsversorgung.
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