
WirtschaftsWoche: Herr Professor Feld, die Regierung will die Ausweitung des Euro-Rettungsschirms EFSF schnell durch den Bundestag bringen. Ist Gefahr in Verzug?
Feld: Ich kann weder eine schwere Krise für die Realwirtschaft noch einen drohenden Zusammenbruch der Finanzmärkte erkennen. Die Angst vor einem Lehman II halte ich für überzogen. Regierungen und Notenbanken haben aus der Krise nach dem Zusammenbruch der US-Bank gelernt und würden eingreifen, bevor der Interbankenverkehr austrocknet und Kreditinstitute kollabieren. So weit sind wir jedoch nicht.
Brauchen wir dann überhaupt eine Aufstockung des Rettungsschirms von 500 auf 750 Milliarden Euro?
Die volle Funktionsfähigkeit der EFSF herzustellen ist in Ordnung. Nach 750 Milliarden kommt jedoch unendlich! Ich bin gegen eine schleichende Abschaffung des No-Bail-Out-Grundsatzes der EU und die Einführung einer Haftungsgemeinschaft. Und ich teile die verfassungsrechtlichen Sorgen unseres Bundespräsidenten. Mit der Verlagerung finanzpolitischer Kompetenzen auf die europäische Ebene würden wir einen wesentlichen Teil des Grundgesetzes – nämlich die Haushaltsautonomie – außer Kraft setzen. Dafür braucht man schon mehr als nur eine Kanzlermehrheit im Bundestag. Am besten wäre es, der eigentliche Souverän entscheidet darüber in einer Volksabstimmung.
Der Ausgang einer Volksbefragung wäre klar. Welche Alternative sehen Sie zur Bewältigung der Euro-Schuldenkrise?
Das Hauptproblem ist nach wie vor Griechenland. Trotz milliardenschwerer Rettungskredite steigen hier wieder Zinsen und CDS-Prämien. Deshalb bin ich für einen Schuldenschnitt von 50 Prozent in Verbindung mit einer schätzungsweise 20 Milliarden Euro umfassenden Stützung der dortigen Banken. Dann gäbe es auch kein Übergreifen der Krise auf die französischen oder die deutschen Finanzinstitute.
Und wenn Italien der Rettung bedarf?
Norditalien zählt zu den reichsten Regionen Europas. Italien hat auch mehr Strukturreformen durchgeführt als Frankreich. Was dort fehlt, ist eine stärkere Haushaltskonsolidierung, insbesondere des aufgeblähten öffentlichen Dienstes. Aber das können und müssen die Italiener selbst leisten. Ich bin deshalb gegen den Ankauf italienischer und auch spanischer Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank. Damit entlastet die EZB nur Rom und Madrid von ihren Spar- und Reformzwängen.
Nach den EZB-Interventionen sind immerhin die Zinsen für italienische und spanische Anleihen gesunken.
Aber nur kurzfristig, solange die EZB aufkauft. Viel eindrucksvoller wäre es für die Märkte, wenn sich Frankreich von der 35-Stunden-Woche verabschiedete und Spanien den Kündigungsschutz reformierte. Das bewirkt mehr als jeder Rettungsschirm.